Der Sachverhalt:
Der Kläger war im Streitjahr 2011 alleiniger Gesellschafter der B-GmbH. Am 17.11.2011 hatte er einen Gesellschaftsanteil von 20 % mit schuldrechtlicher Wirkung zum 31.12.2010 zum Preis von 138.400 € veräußert. Unter Berücksichtigung der auf den veräußerten Anteil entfallenden Anschaffungs- und Veräußerungskosten ergab sich ein Veräußerungsgewinn i.S.d. § 17 Abs. 1 und 2 EStG i.H.v. 132.900 €, der nach dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG zu 60 % - d.h. 79.740 € - der Besteuerung unterliegt.
In seiner elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung hatte der Kläger einen Gewinn aus der Veräußerung eines GmbH-Gesellschaftsanteils i.S.d. § 17 EStG zutreffend erklärt und alle hierfür maßgeblichen Unterlagen beim Finanzamt eingereicht. Der Veranlagungssachbearbeiter prüfte dort den erklärten Gewinn und behandelte die Veranlagung entsprechend einschlägiger Arbeitsanweisungen u.a. als "Intensiv-Prüfungsfall", der nicht nur der Zeichnung durch den Vorgesetzten, sondern auch der Prüfung durch die "Qualitätssicherungsstelle" unterliegt.
Nach einem "Abbruchhinweis" im maschinellen Veranlagungsverfahren wurde bei der weiteren Bearbeitung der Einkommensteuererklärung des Klägers ein falscher Wert durch einen Mitarbeiter der Finanzbehörde eingetragen, der im Ergebnis zu einer zu hohen Steuererstattung für den Kläger führte. Weder im Rahmen der Veranlagung, noch bei der Prüfung durch die Qualitätssicherungsstelle noch bei der Zeichnung auf Sachgebietsleiterebene ("6-Augen-Prinzip") fiel der fehlerhafte Eintrag auf. Erst im Zuge einer späteren Außenprüfung wurde der Fehler bei der Festsetzung erkannt und der Einkommensteuerbescheid nach § 129 Satz 1 AO berichtigt.
Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Das FG vertrat die Auffassung, dass das Finanzamt zur Berichtigung des fehlerhaften Einkommensteuerbescheides berechtigt gewesen sei. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Gründe:
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nach § 129 AO berichtigt werden konnte.
§ 129 AO ist nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage beurteilt werden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Tatfrage; die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob das FG im Rahmen der Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat. Insofern hatte das FG im Rahmen seiner Gesamtwürdigung nicht alle maßgeblichen objektiven Umstände berücksichtigt.
Der vorliegende Steuerfall war von zumindest zwei Mitarbeitern des Finanzamtes - zweifellos dem Veranlagungssachbearbeiter sowie (mutmaßlich) der Bearbeiterin der QSST - inhaltlich geprüft und bearbeitet worden. Dies geht eindeutig aus den Steuerakten und den darin befindlichen handschriftlichen Vermerken hervor, die sich vom Schriftbild her deutlich unterscheiden und zwei verschiedenen Personen zuzuordnen sind. Das schließt das Vorliegen eines bloß mechanischen Versehens und damit die Anwendung der Berichtigungsnorm des § 129 AO aus.
§ 129 AO ist nicht anwendbar, wenn dem Sachbearbeiter des Finanzamtes ein Tatsachen- oder Rechtsirrtum unterlaufen ist oder er den Sachverhalt mangelhaft aufgeklärt hat. Ein bestandskräftiger Steuerbescheid kann insofern nicht mehr von der Behörde nach § 129 AO berichtigt werden, wenn die fehlerhafte Festsetzung eines vom Steuerpflichtigen ordnungsgemäß erklärten Veräußerungsgewinns i.S.d. § 17 EStG trotz eines vom Finanzamt praktizierten "6 Augen-Prinzips" nicht auf einem bloßen "mechanischen Versehen" beruht.