Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt ein Einzelunternehmen. Im September 2012 wurde sie von der im Vereinigten Königreich (UK) ansässigen B Ltd. mit der Lieferung von Ersatzteilen für eine Maschine beauftragt. Dem lag eine Bestellung der Firma C Inc. aus den USA zugrunde, wobei jene Bestellung auf eine Bestellung der Firma D S.A. aus Peru zurückging. Die Lieferung sollte unmittelbar von Deutschland nach Peru erfolgen. Im Oktober 2012 erteilte die Klägerin der B Ltd. eine Abschlagsrechnung über eine A-conto-Zahlung i.H.v. rd. 30.000 €; Umsatzsteuer wurde nicht berechnet ("Tax 0 %"). Die B Ltd. zahlte den Betrag in zwei Raten. Im Dezember 2012 fakturierte die B Ltd. gegenüber der C Inc. (Lieferung der Ersatzteile; rd. 77.000 USD ohne Umsatzsteuer).
Unter dem 19.12.2012 stellte die Klägerin der B Ltd. die Lieferung zum Preis von rd. 50.000 € in Rechnung (Restbetrag nach der A-conto-Zahlung: 20.000 €); Umsatzsteuer wurde nicht gesondert ausgewiesen. Die Rechnung enthielt vielmehr die Zusätze: "Steuerfreie Ausfuhrlieferung nach § 6 UsSTG i. V. mit § 4 Nr. 1 a UsSTG" und "Taxfree delivery", "Tax 0%", "Bewegte Lieferung" und die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Abnehmerin. Die B Ltd. zahlte den Restbetrag. Der Ehemann der Klägerin nahm wegen des Transports der Ersatzteile Kontakt mit der Spedition E, Inland, auf. In einer E-Mail vom 20.12.2012 heißt es u.a.: "Wir benötigen das Angebot für Versendung unverzollt und unversteuert - Kosten zu Lasten des Empfängers oder unseres Auftraggebers in England. Für uns ist das eine - Bewegte Lieferung - Steuerfreie Ausfuhrlieferung nach § 6 UsSTG i. V. m. § 4 Nr. 1a UsSTG." Unter diesem Datum erstellte die Klägerin einen Lieferschein Nr. 959/1212 (fünf Seiten) über die einzelnen Teile. Am 3.1.2013 teilte die C Inc. der E mit, dass sie selbst als Versender im Frachtbrief aufgeführt sein müsse. Alle Dokumente sollten an die C Inc. adressiert werden. Die Fracht sollte als vorausbezahlt ausgezeichnet werden. Ein Beispielsfrachtbrief wurde als Anlage beigefügt.
Im Januar 2013 bat E die Klägerin in zwei E-Mails, ihr die ausgefüllte Zollvollmacht zukommen zu lassen, damit das ABD (Ausfuhrbegleitdokument) für sie erstellt werden könne; dem kam die Klägerin noch im Januar nach. Am 23.1.2013 wurde der Klägerin vom IWM Zoll, Dresden, eine EORI-Nummer erteilt. Am 5.2.2013 teilte E der Klägerin mit, dass die Empfänger bislang noch keine Kosten bestätigt hätten. Da es sich um eine Ab-Werk-Lieferung handle, müsse sie sich schriftlich die Kosten für den Transport sichern, bevor die Sendung abgeholt und verschifft werde. Auch die Kosten für die Erstellung der Ausfuhrbegleitdokumente müssten bestätigt werden. Da die Ware nun verpackt bei einer Verpackungsfirma in H (Inland) zur Abholung bereit stehe, sei Eile geboten. E teilte der C Inc. mit, dass sie zum Versand der Ware eine Absender-Ausfuhrerklärung (Shipper Export Declaration) benötige. Da die C Inc. der Auffassung war, dass diese Papiere immer vom Verkäufer erstellt würden, und sie von den USA aus nicht in der Lage sei, dies zu regeln, wurde die B Ltd. gebeten, mit der Klägerin Kontakt aufzunehmen. Daraufhin informierte die B Ltd. (durch X) die Klägerin und stellte noch einmal klar, dass es sich bei dem von der B Ltd. abgerechneten Betrag um einen "Ab Werk"-Preis gehandelt habe (ohne Versandkosten).
Im Februar 2013 bestätigte E den Auftrag. Im März 2013 erhielt die Klägerin von E den Ausgangsvermerk für die streitgegenständliche Lieferung nach Peru vom 2.3.2013. Dort ist die Klägerin als Absender der Sendung und als Anmelder aufgeführt. Eine Rechnung der E an die Klägerin existiert nicht. Die Frachtkosten wurden von der C Inc. getragen, die E mit der Abholung der Ersatzteile in H und dem Transport nach Peru beauftragt hat. Im April 2013 wurde über das Vermögen der B Ltd. in UK das Insolvenzverfahren eröffnet. Die B Ltd. wurde aufgelöst. In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2012 erklärte die Klägerin eine festzusetzende Umsatzsteuer i.H.v. rd. 45.000 € und steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen i.H.v. rd. 75.000 €. Eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Lieferung an die B Ltd. um eine Lieferung in einem Reihengeschäft handle und dass die Versendung der Ware nur der Lieferung an die C Inc. oder an den Abnehmer in Peru zugeordnet werden könne, weil die C Inc. die Waren versendet hätte. In beiden Fällen sei die Lieferung der Klägerin an die B Ltd. die ruhende Lieferung, die in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig sei. Die erklärten innergemeinschaftlichen (steuerfreien) Umsätze seien daher um 50.000 € zu mindern und die steuerpflichtigen Umsätze um 43.000 € zu erhöhen. Das Finanzamt schloss sich dieser Auffassung an und setzte die Umsatzsteuer 2012 auf rd. 53.000 € fest.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Auffassung des FG, die Lieferung von Ersatzteilen durch die Klägerin im Rahmen eines grenzüberschreitenden Reihengeschäfts unterliege der Umsatzsteuer, hält den Angriffen der Revision stand.
Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist nach § 3 Abs.6 Satz 5 UStG die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Ein solches Reihengeschäft ist auch bei Ausfuhrlieferungen möglich. Die beteiligten Unternehmer führen dabei mehrere aufeinander folgende Lieferungen aus. Für die innergemeinschaftliche Lieferung war bereits entschieden, dass es sich bei der Verschaffung der Verfügungsmacht und der Beförderung bzw. Versendung in den anderen Mitgliedstaat um zwei verschiedene Tatbestandsmerkmale handelt, die getrennt voneinander zu prüfen sind. Für die Ausfuhrlieferung gilt nichts anderes.
In Bezug auf die Verschaffung der Verfügungsmacht hat das FG zutreffend angenommen, dass die Klägerin eine Lieferung an die B Ltd. ausgeführt hat. Diese war bereits im Streitjahr erfolgt. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer u.a. Lieferungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Lieferungen eines Unternehmers sind gem. § 3 Abs. 1 UStG Lieferungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Der unionsrechtliche Begriff "Lieferung von Gegenständen" bezieht sich nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen; er umfasst vielmehr jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Der BFH umschreibt diesen Vorgang als Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag, ohne damit inhaltlich von der Rechtsprechung des EuGH abzuweichen.
Auch wenn eine Lieferung also nicht zwangsläufig voraussetzt, dass das Eigentum am Gegenstand der Lieferung auf den Erwerber übergeht, ist die Verschaffung der Verfügungsmacht in der Regel mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergang auf den Leistungsempfänger verbunden. Eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit hingegen ist keine notwendige Voraussetzung für das Vorliegen einer Lieferung, so dass eine Lieferung auch dadurch bewirkt werden kann, dass der Liefergegenstand in Vollzug einer auf Eigentumsübertragung gerichteten Vereinbarung durch Einräumung des mittelbaren Besitzes übergeben wird. Außerdem kann die für eine Lieferung notwendige Verschaffung der Verfügungsmacht auch in der freiwilligen Übergabe durch den Eigentümer an den Erwerber zu sehen sein. Daraus folgt, dass dem (ggf. Zweit-)Erwerber Verfügungsmacht verschafft wird, wenn er den Gegenstand abholt.
Im Streitfall hat das FG zutreffend entschieden, dass die Klägerin der B Ltd. Verfügungsmacht an den Ersatzteilen verschafft hat, denn die B Ltd. hatte bereits vor Beginn der physischen Warenbewegung im Inland (gem. § 3 Abs. 6 oder 7 UStG) von der Klägerin Verfügungsmacht erhalten.Es lag auch keine steuerfreie Ausfuhrlieferung vor. Die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG, befördert oder versendet hat. Aus dem verwendeten Begriff "versandt" ergibt sich jeweils, dass die Ausfuhr eines Gegenstands durchgeführt worden und die Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferung anwendbar ist, wenn das Recht, wie ein Eigentümer über diesen Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist, der Lieferant nachweist, dass der Gegenstand an einen Ort außerhalb der Union versandt oder befördert worden ist und der Gegenstand aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung das Hoheitsgebiet der Union physisch verlassen hat.
Beiden Bestimmungen gemeinsam ist daher, dass die Beförderung oder Versendung durch den Lieferer oder den Abnehmer (hier: die Klägerin oder die B Ltd.) erfolgt sein muss, so dass geprüft werden muss, wem die Beförderung oder Versendung der Ware zuzuordnen ist. Vorliegend ist das FG im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine steuerfreie Ausfuhrlieferung der Klägerin an die B Ltd. nicht vorlagen. Denn die Steuerbefreiungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ist nicht anwendbar, weil die Ersatzteile nicht auf Veranlassung der Klägerin als leistende Unternehmerin befördert oder versendet worden sind.
Aber auch die Voraussetzung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG, dass der ausländische Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet hat, lagen hier nicht vor; denn nicht die B Ltd., sondern die C Inc. Hatte den Gegenstand versendet. Die Lieferung der Klägerin an die B Ltd. war auch nicht als innergemeinschaftliche Lieferung gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i.V.m. § 6a UStG umsatzsteuerfrei. Eine - gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG umsatzsteuerfreie - innergemeinschaftliche Lieferung setzt nämlich nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG u.a. voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer u.a. den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Das physische Verbringen der Gegenstände von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat ist für die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG eine unverzichtbare Voraussetzung. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall nicht vor, weil der Liefergegenstand nicht in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet worden ist, sondern nach Peru, einem Drittland.
Bei einem Reihengeschäft mit drei Lieferungen und vier Beteiligten setzt die Zuordnung der Versendung zu der zweiten Lieferung insbesondere die Feststellung voraus, ob zwischen dem Erstabnehmer und dem Zweitabnehmer die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, stattgefunden hat, bevor die Versendung erfolgte.