Der Sachverhalt:
Aufgrund eines von einem Gläubiger gestellten Insolvenzantrags bestellte das zuständige Insolvenzgericht Rechtsanwalt R zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners. Das Insolvenzgericht ordnete auch an, dass Verfügungen des Insolvenzschuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Er wurde ermächtigt, Forderungen auf ein Treuhandkonto einzuziehen. Gem. § 22 Abs. 2 InsO sollte das Unternehmen des Insolvenzschuldners bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortgeführt werden, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stilllegung zustimmt, um eine erhebliche Verminderung des Vermögens zu vermeiden. R zeigte gegenüber dem Insolvenzgericht eine Interessenkollision an, worauf dieses den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte.
Der Insolvenzschuldner verfügte über ein Girokonto bei der B-Bank. Auf diesem Konto wurden am 22.6.2016 eine Überweisung i.H.v. rd. 450 € sowie am 28.6.2016 Überweisungen i.H.v. rd. 360 €, 4.400 € sowie 240 € gutgeschrieben. Den Beschluss über die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung übermittelte der Kläger der B-Bank am 28.6.2016 um 08:53 Uhr. Am 30.6.2016 erstellte der Kläger ein Insolvenzgutachten, das auf Besprechungen mit dem Insolvenzschuldner am 22., 26. und 29.6.2016 beruhte. Der Insolvenzschuldner habe zwischen dem 26.6.2016 und 29.6.2016 telefonisch mitgeteilt, dass auf dem B-Bankkonto eine Zahlung eines Auftraggebers von 3.000 € eingehen werde. Am 1.7.2016 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Juni 2016 gegenüber dem Kläger auf rd. 1.600 € fest und legte hierbei steuerpflichtige Umsätze i.H.v. 8.570 € zu Grunde. Darin waren die Überweisungen vom 28.6.2016 i.H.v. 360 € und 4.400 € enthalten. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein und begehrte die Herabsetzung der Steuer auf rd. 890 €, da lediglich die tatsächlich auf dem Treuhandkonto vereinnahmten Forderungen Masseverbindlichkeiten auslösen könnten und damit der Festsetzung der Umsatzteuer zu Grunde zu legen seien. Die vom Insolvenzschuldner auf dessen Konto vereinnahmten Beträge seien hingegen erst nach Insolvenzeröffnung und nicht in voller Höhe auf dem Treuhandkonto eingegangen. Nach Vorlage von Kontoauszügen des Insolvenzschuldners wurden dem Finanzamt weitere Zahlungseingänge bekannt. Daher setzte es abweichend von der eingereichten Umsatzsteuererklärung des Klägers für 2016 die Umsatzsteuer fest. In der Bemessungsgrundlage von rd. 10.500 € wurden die Überweisungen vom 22.6.2016 und 28.6.2016 berücksichtigt.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Nach § 55 Abs. 4 InsO gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Verbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO werden nur im Rahmen der für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begründet, was aus den zu § 55 Abs. 1 InsO bestehenden Zusammenhängen abgeleitet werden kann. Danach kommt es maßgeblich auf die Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter, nicht aber auf die Leistungserbringung oder auf eine "tatsächliche" Zustimmung des vorläufigen Verwalters zu einer "faktischen" Unternehmensfortführung an.
Auf dieser Grundlage ist bei einem vorläufigen Insolvenzverwalter, der - wie hier - vom Insolvenzgericht zum Forderungseinzug ermächtigt wurde, davon auszugehen, dass der Forderungseinzug im Rahmen der für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse erfolgt und dazu führt, dass umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis, die mit dem Forderungseinzug im Zusammenhang stehen, zur Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO werden. Das Anknüpfen an die rechtlichen Befugnisse der in § 55 Abs. 1 und Abs. 4 InsO genannten Verwalter führt nicht dazu, dass jegliche Handlungen nach deren Bestellung Masseverbindlichkeiten begründen. Maßgeblich ist vielmehr, wie sie die ihnen zustehenden Befugnisse ausüben. Wird eine zu umsatzsteuerpflichtigen Leistungen führende Tätigkeit ohne Wissen und Zutun des Insolvenzverwalters ausgeübt und gelangen die Entgelte nicht zur Masse, entsteht daher keine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 InsO. Deshalb kommt es bei § 55 Abs. 4 InsO darauf an, ob der vorläufige Insolvenzverwalter das Entgelt vereinnahmt. Es reicht nicht aus, wenn der Insolvenzschuldner das Entgelt ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters vereinnahmt hat.
Im Streitfall ist das FG zu Unrecht davon ausgegangen, die Drittschuldner hätten die Beträge, um die es im Streitfall ging, auf das B-Bankkonto schuldbefreiend überwiesen. Ordnet das Insolvenzgericht gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO an, dass Verfügungen des Insolvenzschuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, werden Drittschuldner aus Leistungen an den Insolvenzschuldner nur dann gem. § 24 Abs. 1 i.V.m. § 82 InsO befreit, wenn sie zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht kannten. Dies ist im Insolvenzeröffnungsverfahren für beide Fälle des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO zu beachten. Hat der Drittschuldner mangels Schuldbefreiung nochmals an den Verwalter im Eröffnungsverfahren oder im eröffneten Verfahren zu zahlen, entsteht eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 oder Abs. 4 InsO.
Damit nicht vereinbar war die Annahme des FG, dass die durch das Insolvenzgericht vorgenommene Ermächtigung des Klägers, als vorläufiger Insolvenzverwalter Forderungen des Insolvenzschuldners einzuziehen, das Recht des Insolvenzschuldners, seinerseits Forderungen einzuziehen, nicht unmittelbar berührt habe, da das Insolvenzgericht kein Verbot gegenüber Drittschuldnern ausgesprochen hatte, an den Insolvenzschuldner zu zahlen. Das FG hat dabei nicht berücksichtigt, dass sich die Schuldbefreiung des Drittschuldners nicht erst aus einem insolvenzgerichtlichen Verbot ergibt, das sich an Drittschuldner richtet und diesen verbietet, an den Insolvenzschuldner zu zahlen, sondern bereits unmittelbar aus § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 i.V.m. § 24 Abs. 1 und § 82 InsO folgt. Danach wird der Leistende nur frei, wenn er zur Zeit der Leistung die Anordnung der Verfügungsbeschränkungen nicht kannte. Grob fahrlässige Unkenntnis von der Verfügungsbeschränkung oder Kenntnis von einer Zahlungseinstellung oder eines sonstigen Eröffnungsgrundes reichen nicht aus.
Es kommt nicht darauf an, ob das Geleistete in die Insolvenzmasse gelangt ist. Hat er vor der öffentlichen Bekanntmachung der Verfügungsbeschränkungen geleistet, wird nach § 82 Satz 2 InsO vermutet, dass er die Verfügungsbeschränkungen nicht kannte. Bei einer Leistung vor der öffentlichen Bekanntmachung der Verfügungsbeschränkungen hat der vorläufige Insolvenzverwalter zu beweisen, dass dem Leistenden die Anordnung bekannt war. Ist dagegen die Leistung nach Bekanntmachung erfolgt, hat der Leistende zu beweisen, dass ihm die Anordnung der Verfügungsbeschränkungen unbekannt war. Die Sache war nach alldem zur weiteren Sachverhaltsermittlung und erneuten Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Im zweiten Rechtsgang sind weitere Feststellungen dazu zu treffen, ob die Zahlungsvorgänge im Juni 2016 nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 i.V.m. § 24 Abs. 1 und § 82 InsO gegenüber der späteren Insolvenzmasse mit schuldbefreiender Wirkung erfolgten und ob, falls dies zu verneinen sein sollte, der Insolvenzverwalter mangels derartiger Wirkung eine zweite Zahlung in die Masse verlangen konnte und verwirklicht hat.
Ordnet das Insolvenzgericht gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO an, dass Verfügungen des Insolvenzschuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, werden Drittschuldner aus Leistungen an den Insolvenzschuldner gem. § 24 Abs. 1 InsO nur unter den Voraussetzungen des § 82 InsO befreit. Hat der Drittschuldner mangels Schuldbefreiung nochmals an den Verwalter im Eröffnungsverfahren oder im eröffneten Verfahren zu zahlen, entsteht eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 oder Abs. 4 InsO.