Der Sachverhalt:
Die Klägerin betrieb im Streitjahr in S ein gewerbliches Einzelunternehmen. Es befasste sich mit allgemeiner Wirtschaftsberatung und Verkehrsplanung und war als Bauträger tätig. Das zunächst zuständige Finanzamt S hatte den Einkommensteuer-Bescheid 2001 unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt. Im Anschluss an das Ergebnis einer Prüfung durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes U (Prüfbericht vom 16.11.2009) erließ das Finanzamt S mit Datum vom 28.1.2010 unter Berufung auf § 164 Abs. 2 AO einen Änderungsbescheid für das Streitjahr, in dem ein Gewinn aus Gewerbebetrieb erfasst wurde. In diesem Zusammenhang blieben als Betriebsausgaben erklärte Provisionszahlungen im Rahmen der Gewinnermittlung des Einzelunternehmens unberücksichtigt.
Gegen den Einkommensteuer-Änderungsbescheid 2001 erhob die Klägerin durch Schreiben vom 5.2.2010 Einspruch, der gleichlautend auch gegen den entsprechenden Gewerbesteuer-Messbetragsbescheid 2001 eingelegt wurde. Im Verfahren gegen den Gewerbesteuer-Messbetragsbescheid, insoweit blieb das Finanzamt S zuständig, legten die Beteiligten den Rechtsstreit vor dem Niedersächsischen FGanzgericht (Az. 14 K 360/11) in der mündlichen Verhandlung vom 5.2.2013 gütlich bei. Der Vertreter des Finanzamtes erklärte sich bereit, Provisionszahlungen als betrieblich veranlasst anzuerkennen und einen entsprechend geänderten Gewerbesteuer-Messbetragsbescheid 2001 zu erlassen.
In der Einspruchsentscheidung betreffend Einkommensteuer 2001 vom 27.11.2013 änderte das Finanzamt den streitbefangenen Bescheid und erfasste den Gewinn aus Gewerbebetrieb entsprechend der Einigung im Verfahren zum Gewerbesteuer-Messbetragsbescheid. Mit Schreiben vom 2.1.2014 erhob die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung Klage. Zur Begründung trägt sie vor, der im Anschluss an die Fahndungsprüfung ergangene Einkommensteuer-Änderungsbescheid sei wegen eingetretener Festsetzungsverjährung zumindest rechtswidrig. Die vierjährige Regelverjährungsfrist ende bei Abgabe der Steuererklärung im Jahr 2002 mit Ablauf des 31.12.2006. Der Ablauf der Frist sei weder nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO noch nach § 171 Abs. 5 Satz 2 AO gehemmt gewesen.
§ 171 Abs 5 Satz 1 AO führe zur Verjährungshemmung, wenn die Steuerfahndung mit der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen beginne, und zwar bei dem Steuerpflichtigen. Das bedeute, die Ermittlungen müssten sich ersichtlich gegen den Steuerpflichtigen richten und der Steuerpflichtige müsse klar und eindeutig erkennen können, in welchen konkreten Steuerangelegenheiten ermittelt werde. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 2 AO trete ein, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Steuer- oder Bußgeldverfahrens förmlich i.S. des § 122 Abs. 1 AO bekannt gegeben worden sei.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde wegen nicht zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Erlass des streitbefangenen Bescheides der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht entgegenstand.
Die Regelverjährungsfrist nach § 169 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt im Streitfall am 1.1.2003 (Eingang der Einkommensteuer-Erklärung 2001 bei dem Finanzamt S in 2002) und endet am 31.12.2006. Der streitbefangene, aufgrund der Steuerfahndungsprüfung ergangene Einkommensteuer-Änderungsbescheid 2001 vom 28.01.2010 ist nach Ablauf der Regelverjährungsfrist ergangen. Der Ablauf der Regelverjährungsfrist war nicht nach § 171 Abs. 5 Satz 2 AO gehemmt, weil der Klägerin die Einleitung des Strafverfahrens nicht gem. § 122 Abs. 2 AO bekanntgegeben worden war.
Der Fristablauf war jedoch nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO gehemmt. Beginnen die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen einer Landesfinanzbehörde vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, läuft die Festsetzungsfrist gem. § 171 Abs. 5 Satz 1 AO insoweit nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung der Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen ist, dass für den Steuerpflichtigen klar und eindeutig erkennbar ist, in welchem konkreten Besteuerungs- bzw. Strafverfahren die Steuerfahndung ermittelt. Bei einem Steuerpflichtigen ist mit den Ermittlungsmaßnahmen begonnen worden, wenn sich die Ermittlungshandlungen gegen den betroffenen Steuerschuldner selbst oder gegen das Vertretungsorgan des Steuerschuldners richten.
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, war der Fristablauf im Streitfall gem. § 171 Abs. 5 Satz 1 AO gehemmt. Im Entscheidungsfall sind unstreitig gegen die Klägerin vor Ablauf der Regelverjährungsfrist, also vor dem 31.12.2006, ausweislich der Nachweisung im Steuerstrafverfahren gegen die Klägerin am 3.5.2006 Ermittlungen durchgeführt worden. Sie hatte davon auch unstreitig grundsätzlich Kenntnis erlangt. Streitig ist, ob für die Klägerin klar und eindeutig erkennbar war, in welchem konkreten Besteuerungs- bzw. Strafverfahren der Steuerfahndung gegen sie ermittelt wurde. Insbesondere hat die Fahndung insoweit Geschäftsunterlagen der B, dem seinerzeitigen Einzelunternehmen der Klägerin, und Einkommensteuerunterlagen der Klägerin aus dem Jahre 2001 beschlagnahmt. Das lässt klar und eindeutig erkennen, dass es um die Einkommensteuer 2001 der Klägerin und hier um die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb B ging. Der Nachweis über die beschlagnahmten Unterlagen ist zwar nicht der Klägerin ausgehändigt worden, sondern ausweislich des Beschlagnahmeprotokolls der anwesenden Frau H. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Klägerin bzw. ihr Prozessvertreter, Herr Rechtsanwalt T, von dem Durchsuchungs-/Beschlagnahmeprotokoll unverzüglich und vollständig Kenntnis erlangt hat.
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