Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt als GmbH eine Schlachterei und setzt ihre Produkte hauptsächlich in einer Filiale ab. Daneben betreibt sie aber auch Stände auf Wochenmärkten, einen Catering-Service, einen Mittagstisch und bietet zubereitete Speisen auf verschiedenen regionalen Veranstaltungen an.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage zum Teil statt. Zwar sei das Finanzamt gem. § 162 AO zur Schätzung befugt gewesen, weil die Klägerin keine Aufzeichnungen über Entnahmen aus dem Unternehmen für außerunternehmerische Zwecke geführt habe. Die Behörde habe aber die Werte der Richtsatzsammlung nicht unverändert anwenden dürfen.
Das Finanzamt war der Ansicht, dass das FG-Urteil § 3 Abs. 1b UStG i.V.m. § 162 AO verletze. Die Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben dienten der Vereinfachung und ließen keine Zu- oder Abschläge zur Anpassung an die individuellen Verhältnisse zu. Die Revision blieb allerdings vor dem BFH erfolglos.
Gründe:
Die Schätzung des FG war rechtmäßig. Die Voraussetzungen nach § 162 AO waren erfüllt.
Anders als bei der Überprüfung von Ermessensentscheidungen ist die Schätzung des Finanzamtes im Klageverfahren in vollem Umfang nachprüfbar. Das FG ist auch nicht an die vom Finanzamt gewählte Schätzungsmethode gebunden, weil es nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO eine eigene, selbständige Schätzungsbefugnis besitzt. Die Schätzung des FG gehört ebenso wie die Auswahl der Schätzungsmethode zu den tatsächlichen Feststellungen des FG.
Das FG hatte durch seine von der amtlichen Richtsatzsammlung abweichende Schätzung nicht die Selbstbindung der Verwaltung verletzt. Zwar besteht, anders als bei norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften, die für die Gerichte nicht bindend sind, im Bereich des Ermessens, der Billigkeit, der Typisierung und der Pauschalierung als Ausfluss von Art. 3 Abs. 1 GG eine Selbstbindung der Verwaltung, die grundsätzlich auch von den Gerichten zu beachten ist. Mangels besserer Anhaltspunkte ist deshalb grundsätzlich von den auf Erfahrungssätzen der einzelnen Branchen beruhenden Richtsätzen und Pauschalen auszugehen.
Nach § 162 Abs. 1 S. 2 AO sind bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich, vernünftig und plausibel sein. Insofern war es unerheblich, dass das FG davon ausgegangen war, unentgeltliche Wertabgaben i.S.d. § 3 Abs. 1b UStG könnten - wenn nicht besondere Anhaltspunkte ein anderes Ergebnis möglich erscheinen lassen - nicht höher sein als der Wareneinkauf zum Regelsteuersatz. Da die Schätzung auf der Grundlage der Richtsatzsammlung nach dieser Gesamtwürdigung zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde, entfiel die Bindungswirkung der Richtsatzsammlung.
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