Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit Juni 2011 Verwalter in dem bereits Anfang 2000 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kommunalen Wohnungs- und Baugesellschaft L. mbH (Schuldnerin). Er nimmt den Beklagten, seinen Vorgänger im Amt des Insolvenzverwalters, auf Schadensersatz in Anspruch. Die Schuldnerin ist ein kommunales Wohnbauunternehmen. Vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte sie einen Wohnblock in L in eine Wohnungseigentumsanlage verwandelt und einige Wohnungen verkauft. Verkauft wurde u.a. die Wohnung Nr. 24. Der Kaufpreis betrug 70.000 DM. Die Schuldnerin war Verwalterin der Wohnungseigentumsanlage und blieb dies auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Im November 2007 beschloss die Gläubigerversammlung die Liquidation der Schuldnerin sowie die bestmögliche Verwertung des Immobilienbestandes. Der Geschäftsbetrieb sollte vorläufig bis zur Verwertung des Immobilienbestandes fortgeführt werden.
Mit Wirkung zum 1.12.2013 veräußerte der zwischenzeitlich zum Insolvenzverwalter bestellte Kläger den gesamten Immobilienbestand der Schuldnerin an die eine GmbH & Co KG. Die Erwerberin wandte sich an den Beklagten und unterbreitete ihm ein Angebot, nach welchem sie die Wohnung zu einem Preis von 10.000 € ankaufen wollte. Später bot sie 45.000 €; zugleich sollte ein schwebender Rechtsstreit zwischen ihr und dem Beklagten beendet werden. Zu einer Einigung kam es nicht. Der Beklagte behielt die Wohnung. Vorliegend verlangt der Kläger insbesondere die Übertragung der Wohnung Zug um Zug gegen Zahlung von 3.000 €, hilfsweise Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 42.000 €. Ebenfalls verlangt der Kläger Erstattung des Mietausfalls für eine andere Wohnung, die nicht vermietet worden sei, weil der Beklagte seine eigene Wohnung bevorzugt behandelt habe, sowie Erstattung des Mindererlöses hinsichtlich des ganzen Wohnungsbestandes.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vorbringen des Klägers hat sich der Beklagte dadurch, dass er die ihm als Verwalter zu einem äußerst geringen Preis angebotene Wohnung nicht für die Masse erworben hat, nach § 60 InsO schadensersatzpflichtig gemacht.
Der Insolvenzverwalter ist allen Beteiligten zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach der InsO obliegen. Zu seinen Pflichten gehört es, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu bewahren und ordnungsgemäß zu verwalten. Diese Pflicht hat sich am gesetzlichen Leitbild des ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters auszurichten, welches an die handels- und gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsanforderungen angelehnt ist, aber den Besonderheiten des Insolvenzverfahrens Rechnung zu tragen hat. Maßstab aller unternehmerischen Entscheidungen des Insolvenzverwalters im Rahmen einer Betriebsfortführung ist der Insolvenzzweck der bestmöglichen gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger sowie das von den Gläubigern gemeinschaftlich beschlossene Verfahrensziel Abwicklung des Unternehmens, Veräußerung oder Insolvenzplan als Mittel der Zweckerreichung.
Vorliegend handelte es sich um ein Geschäft, das die Masse ohne sonderlichen Aufwand und ohne großes Risiko erheblich vermehrt hätte. Auch unter Anlegung eines großzügigen Maßstabes an unternehmerische Entscheidungen des Insolvenzverwalters, der in einer für das Unternehmen schwierigen Lage eine von vielen, teils unbeherrschbaren Faktoren abhängige Prognoseentscheidung zu treffen hat, und des ihm zukommenden weiten Ermessensspielraums, ist die Entscheidung des Beklagten, die Wohnung zu dem von ihm gezahlten Preis nicht für die Masse zu erwerben, mit einer ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwaltung nicht zu vereinbaren. Ein weiterer zum Schadensersatz nach § 60 InsO verpflichtender Verstoß gegen die Pflichten eines ordentlich und gewissenhaft handelnden Insolvenzverwalters liegt darin, dass der Beklagte eigennützig, ohne Berücksichtigung der Interessen der Insolvenz- und Massegläubiger und derjenigen der Insolvenzschuldnerin, ein vorteilhaftes Geschäft an sich gezogen hat, welches im engen Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin stand und daher dieser zuzuordnen war.
Unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen eine Geschäftschance der Masse in der Weise zugeordnet ist, dass der Verwalter sie persönlich nicht mehr wahrnehmen darf, ist eine Frage des Einzelfalls. Nach der Rechtsprechung des BGH zur gesellschaftsrechtlichen Geschäftschancenlehre liegt eine Geschäftschance der Gesellschaft vor, wenn diese den Vertrag bereits geschlossen oder jedenfalls soweit vorbereitet hat, dass der endgültige Vertragsschluss nur noch eine Formsache ist. Gleiches gilt, wenn der Geschäftsleiter namens der Gesellschaft in Vertragsverhandlungen eingetreten ist oder wenn ihm ein vorteilhaftes Angebot nur mit Rücksicht auf seine Stellung unterbreitet worden ist. Erfasst sind schließlich auch Geschäftschancen, die im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft stehen. Das gilt für den Insolvenzverwalter, der das Unternehmen des Schuldners fortführt, in gleicher Weise.
Der Erwerb der Wohnung Nr. 24 gehörte zum Geschäftsfeld des Schuldnerunternehmens. Die Wohnung ist dem Geschäftsführer der Schuldnerin angeboten worden, welcher für die Insolvenzverwaltung tätig war. Es gab bereits einen Vertragsentwurf, der den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter als Käufer auswies. Die Wohnung wäre an ihn verkauft worden, wenn er das Geschäft nicht persönlich an sich gezogen hätte. Da das Schuldnerunternehmen bis zur Veräußerung des Wohnungsbestandes fortgeführt werden sollte, stand der Liquidationsbeschluss der Gläubigerversammlung dem Ankauf nicht entgegen.
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