Der Sachverhalt:
Die in diesem Verfahren klagende GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) nimmt für Komponisten, Textdichter und Musikverleger urheberrechtliche Nutzungsrechte an Musikwerken wahr. Die Beklagte ist Deutschlands größtes Telekommunikationsunternehmen. Sie war Betreiberin eines zwischenzeitlich von einer konzernverbundenen Gesellschaft unterhaltenen Telefonnetzes, über das ihre Kunden Zugang zum Internet erhielten. Als sog. Access-Provider vermittelte die Beklagte ihren Kunden auch den Zugang zu der Webseite "3dl.am".
Über diese Webseite konnte laut Klägerin auf eine Sammlung von Links und URLs zugegriffen werden, die das Herunterladen urheberrechtlich geschützter Musikwerke ermöglichten, die bei Sharehostern wie "RapidShare", "Netload" oder "Uploaded" widerrechtlich hochgeladen worden waren. Die Klägerin ist der Ansicht, hierin liege eine Verletzung der von ihr wahrgenommenen Urheberrechte und die Beklagte habe derartige Rechtsverletzungen zu unterbinden. Die Klägerin beantragte, die Beklagte zu verurteilen es zu unterlassen, über von ihr bereitgestellte Internetzugänge Dritten den Zugriff auf Links zu den streitbefangenen Werken über die Webseite "3dl.am" zu ermöglichen.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
+++ I ZR 174/14 +++
Die Klägerinnen in diesem Verfahren sind Tonträgerhersteller. Die Beklagte ist Betreiberin eines Telekommunikationsnetzes, über das ihre Kunden Zugang zum Internet erhalten. Als Access-Provider vermittelte die Beklagte ihren Kunden u.a. auch den Zugang zu der Webseite "goldesel.to". Über diese Webseite konnte nach Aussage der Klägerinnen auf eine Sammlung von zu urheberrechtlich geschützten Musikwerken hinführenden Links und URLs zugegriffen werden, die bei dem Filesharing-Netzwerk "eDonkey" widerrechtlich hochgeladen worden waren.
Die Klägerinnen sehen hierin eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Leistungsschutzrechte gem. § 85 UrhG und nahmen die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch, über von ihr bereitgestellte Internetzugänge Dritten den Zugriff auf Links zu den streitbefangenen Werken über die Webseite "goldesel.to" zu ermöglichen.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerinnen hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Grundsätzlich kann ein Telekommunikationsunternehmen, das Dritten den Zugang zum Internet bereitstellt, von einem Rechteinhaber dahingehend als Störer in Anspruch genommen werden, den Zugang zu Internetseiten zu unterbinden, auf denen urheberrechtlich geschützte Werke rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden. Bei der Verletzung absoluter Rechte (z.B. Urheber- oder Leistungsschutzrecht) haftet derjenige als Störer auf Unterlassung, der - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Voraussetzung ist, dass er zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat. Dabei ist das deutsche Recht unionsrechtskonform auszulegen (siehe Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG über das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft). Es muss insoweit eine Möglichkeit vorsehen, gegen Vermittler von Internetzugängen Sperranordnungen zu verhängen.
Die Vermittlung des Zugangs zu Internetseiten mit urheberrechtswidrigen Inhalten stellt auch einen adäquat-kausalen Tatbeitrag der Telekommunikationsunternehmen zu den Rechtsverletzungen der Betreiber der Internetseiten "3dl.am" und "goldesel.to" dar. Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung sind die betroffenen nationalen und EU-rechtlichen Grundrechte des Eigentumsschutzes der Urheberrechtsinhaber, der Berufsfreiheit der Telekommunikationsunternehmen sowie der Informationsfreiheit und der informationellen Selbstbestimmung der Internetnutzer zu berücksichtigen. Eine Sperrung ist nicht nur dann zumutbar, wenn ausschließlich rechtsverletzende Inhalte auf der Internetseite bereitgehalten werden, sondern bereits dann, wenn nach dem Gesamtverhältnis rechtmäßige gegenüber rechtswidrigen Inhalten nicht ins Gewicht fallen. Die aufgrund der technischen Struktur des Internets bestehenden Umgehungsmöglichkeiten stehen der Zumutbarkeit einer Sperranordnung nicht entgegen, sofern die Sperren den Zugriff auf rechtsverletzende Inhalte verhindern oder zumindest erschweren.
Eine solche Störerhaftung des Unternehmens kommt unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit allerdings nur in Betracht, wenn der Rechteinhaber zunächst zumutbare Anstrengungen unternommen hat, gegen diejenigen Beteiligten vorzugehen, die - wie der Betreiber der Internetseite - die Rechtsverletzung selbst begangen haben oder - wie der Host-Provider - zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben. Erst wenn die Inanspruchnahme dieser Beteiligten scheitert oder insoweit keinerlei Erfolgsaussichten bestehen und damit andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde, ist die Inanspruchnahme des Access-Providers als Störer zumutbar. Denn Betreiber und Host-Provider sind wesentlich näher an der Rechtsverletzung als derjenige, der nur allgemein den Zugang zum Internet vermittelt. Bei der Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten hat der Rechtsinhaber in zumutbarem Umfang - etwa durch Beauftragung einer Detektei, eines Unternehmens, das Ermittlungen im Zusammenhang mit rechtswidrigen Angeboten im Internet durchführt, oder Einschaltung der staatlichen Ermittlungsbehörden - Nachforschungen vorzunehmen. An dieser Voraussetzung fehlt es in beiden heute entschiedenen Fällen.
Im Verfahren I ZR 3/14 hat die Klägerin gegen den Betreiber der Webseite "3dl.am" eine einstweilige Verfügung erwirkt, die unter der bei der Domain-Registrierung angegebenen Adresse nicht zugestellt werden konnte. Den gegen den Host-Provider gerichteten Verfügungsantrag hat die Klägerin zurückgenommen, da sich auch seine Adresse als falsch erwies. Mit der Feststellung, dass die Adressen des Betreibers der Internetseite und des Host-Providers falsch waren, hätte sich die Klägerin nicht zufriedengeben dürfen. Sie hätte vielmehr weitere zumutbare Nachforschungen unternehmen müssen. Im Verfahren I ZR 174/14 blieb die Klage ohne Erfolg, da die Klägerinnen nicht gegen den Betreiber der Webseiten mit der Bezeichnung "goldesel" vorgegangen sind. Nach Aussage der Klägerinnen konnte dem Webauftritt nicht die Identität des Betreibers entnommen werden. Die Klägerinnen haben insoweit nicht vorgetragen, dass weitere zumutbare Maßnahmen zur Aufdeckung der Identität des Betreibers der Internetseiten unternommen worden sind.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
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