Der Sachverhalt:
Die in der Schweiz ansässige Klägerin vertreibt seit den 1960er Jahren über Lizenznehmer Lufterfrischer in Form eines stilisierten Tannenbaums. Sie ist seit Jahrzehnten Weltmarktführerin im Bereich der Papier-Lufterfrischer, von denen in Deutschland jährlich mehr als 8 Mio. mit den Marken der Klägerin verkauft werden.
- IR-Bildmarke Nr. 612 525 (Klagemarke), im Dezember 1993 eingetragen für "Air freshening preparations",
- der dreidimensionalen Gemeinschaftsmarke EM Nr. 307 1305, im Mai 2005 eingetragen für "Air fresheners",
- sowie der IR Wort-Bild-Marken Nr. 475 333, eingetragen im Februar 1983 für "products for the purification of air and deodorants, hygiene products", und Nr. 539 068, eingetragen im Mai 1989 für "products for the purification of air and deodorants, hygiene products".
Die in Polen ansässige Beklagte ist Inhaberin der im Juli 2007 für "Deodorant (other than for personal use) and air freshening preparations" eingetragenen IR Wort-Bild-Marke Nr. 945 924 Die internationale Registrierung beruht auf einer am im Januar 2007 registrierten polnischen Basismarke. Die Klägerin hatte die Beklagte auf Einwilligung in die Schutzentziehung ihrer IR Wort-Bild-Marke für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen, wobei sie die Klage in erster Linie auf die Klagemarke stützt, hilfsweise auf ihre weiteren Marken in der Reihenfolge der vorstehenden Darstellung.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Die Annahme der Vorinstanz, die Klägerin könne den mit der Klage geltend gemacht Anspruch auf Einwilligung in die Schutzentziehung der Streitmarke gem. §§ 115 Abs. 1, 51 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 MarkenG nicht auf die Klagemarke stützen, hielt der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht wird bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände prüfen müssen, ob die Gesichtspunkte, die für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft oder eine Bekanntheit sprechen, auf die Klagemarke als reine Bildmarke, die dreidimensionale Marke oder auf die beiden Wort-Bild-Marken bezogen sind, auf die die Klägerin die Klage hilfsweise gestützt hat.
Bei der Bestimmung der Kennzeichnungskraft sind alle relevanten Umstände zu berücksichtigen, zu denen insbesondere die Eigenschaften, die die Marke von Haus aus besitzt, der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geographische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke und der Teil der beteiligten Verkehrskreise gehören, die die Waren oder Dienstleistungen aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen. Die Prüfung hat anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls umfassend zu erfolgen, nicht dagegen anhand genereller und abstrakter Angaben, wie etwa von festen Prozentsätzen der Bekanntheit des Zeichens als Kennzeichnungsmittel bei den beteiligten Verkehrskreisen. Wird ein Produkt in Form der Marke hergestellt, schwächt dies nicht die originäre Kennzeichnungskraft der Marke wegen beschreibender Anklänge im Hinblick auf die Waren, für die sie Schutz beansprucht, wenn die Form des Produkts nicht funktionsbedingt vorgegeben oder die Ware beschreibend ist.
Das Berufungsgericht hat zwar auf die hohen Werbeaufwendungen, den hohen Marktanteil der von der Klägerin vertriebenen Lufterfrischer, den langjährigen und umfänglichen Vertrieb und die Präsenz des Produkts in den Medien abgestellt. Diesen Umständen hatte es jedoch im Hinblick auf das Ergebnis der dem Infratest-Gutachten zugrunde liegenden Umfrage aus dem Jahr 1999 keine Bedeutung beigemessen. Dies steht jedoch nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH und des Senats. Zudem hatte das Infratest-Gutachten ergeben, dass immerhin 31,5% der Befragten die Lufterfrischer in Form der Klagemarke einem bestimmten Unternehmen zuordnen.
Ist von originär durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Klagemarke auszugehen, reicht ein solcher Bekanntheitsgrad jedenfalls im Zusammenwirken mit den übrigen Kriterien zur Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft aus. Derartige Prozentsätze können sogar die Annahme einer Bekanntheit der Marke rechtfertigen. Das Infratest-Gutachten konnte die Abweisung der auf die Klagemarke gestützten Klage auch deshalb nicht rechtfertigen, weil es keine Aussagekraft für die Kennzeichnungskraft der Klagemarke für den im Streitfall maßgeblichen Zeitpunkt hatte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung einer infolge Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft ist nämlich grundsätzlich der Anmeldetag der angegriffenen Marke.
Das Berufungsgericht hat zudem nicht berücksichtigt, dass die Ergebnisse des Infratest-Gutachtens aufgrund einer Befragung gewonnen worden waren, an der lediglich 314 Personen teilgenommen hatten. Nach der BGH-Rechtsprechung sind jedoch sowohl im Eintragungsverfahren als auch im Löschungsverfahren Fehlertoleranzen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, wenn eine ausreichend große Stichprobe (mindestens 1.000 Befragte) dem Verkehrsgutachten zugrunde liegt. Entsprechendes gilt auch im Prozess, mit dem der klagende Inhaber der älteren Marke die Einwilligung in die Schutzentziehung für die jüngere Marke begehrt. Dem Infratest-Gutachten hatte keine solche ausreichend große Stichprobe zugrunde gelegen, so dass es keine sichere Grundlage für das gewonnene Ergebnis sein kann. Die Ergebnisse des Infratest-Gutachtens können für die Kennzeichnungskraft der Klagemarke allenfalls indizielle Bedeutung haben.
Zutreffend war das Berufungsgericht jedoch davon ausgegangen, dass eine Steigerung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke für das geographische Gebiet festzustellen ist, für das die Klagemarke Schutz beansprucht. Danach war hier maßgeblich, ob sich eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Klagemarke in Deutschland feststellen lässt. Zwar kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die originäre Kennzeichnungskraft einer Marke bei inländischen Verkehrskreisen dadurch gesteigert wird, dass die Marke nicht nur im Inland, sondern in zahlreichen weiteren Ländern präsent ist und inländische Verkehrskreise der Marke bei Reisen ins Ausland begegnen. Der allgemein gehaltene Vortrag der Klägerin, auf den sich die Revision beruft, ließ jedoch derartige Auswirkungen einer ausländischen Benutzung der Marke auf die Wahrnehmung der angesprochenen inländischen Verkehrskreise nicht erkennen.
Linkhinweise:
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