Der Sachverhalt:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Beschlusses des FG vom 7.10.2014, mit dem dieses das Klageverfahren (6 K 2642/12) bis zum Ergehen einer Entscheidung in den beim BVerfG anhängigen Verfahren 2 BvL 9-14/14 gem. § 74 FGO ausgesetzt hat.
Zur Begründung führte es aus, dass der Kläger mangels Genehmigung der Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit gem. § 284 SGB III a.F. als nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer i.S.d. § 62 Abs. 2 EStG zu behandeln sei. Da beim Kläger die Voraussetzungen der Vorschrift nach Aktenlage nicht vorlägen, wäre der Kindergeldanspruch bis April 2011 abzulehnen, sofern sich diese Vorschrift als verfassungsgemäß erweisen sollte.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers. Er beantragt sinngemäß, den Aussetzungsbeschluss des FG aufzuheben und das Verfahren fortzusetzen. Der BFH gab der Beschwerde statt und hob den Beschluss des FG auf.
Die Gründe:
Die Voraussetzungen einer Aussetzung des Verfahrens (AdV) nach § 74 FGO liegen nicht vor.
Bei den beim BVerfG anhängigen Verfahren geht es um die Frage, ob § 62 Abs. 2 EStG insoweit verfassungswidrig ist, als er nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer teilweise vom Anspruch auf Kindergeld ausschließt oder dessen Gewährung an weitere Voraussetzungen knüpft. Im vorliegenden Verfahren handelt es sich bei dem Kläger hingegen um einen freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger, der bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG dem Grunde nach kindergeldberechtigt ist. Entgegen der Ansicht des FG bewirkt die fehlende Genehmigung der Bundesagentur gem. § 284 SGB III nicht, dass der Kläger als nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer gem. § 62 Abs. 2 EStG anzusehen ist. Dabei lässt der Senat dahinstehen, ob im vorliegenden Fall eine Genehmigung nach § 284 SGB III überhaupt erforderlich war.
Für polnische Staatsangehörige war die Freizügigkeit bis zum 30.11.2011 zwar eingeschränkt. Gem. Nr. 2.1 des Anhangs XII der Beitrittsakte gelten die Art. 39 und 49 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der EG zwischen Polen einerseits und Deutschland sowie den übrigen Alt-Mitgliedstaaten andererseits in vollem Umfang nur vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen. Letztere sehen unter Nr. 2.2 vor, dass abweichend von den Art. 1 bis 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/67 während eines Übergangszeitraums die Alt-Mitgliedstaaten nationale Maßnahmen anwenden, um den Zugang polnischer Staatsangehöriger zu ihren Arbeitsmärkten zu regeln.
Deutschland hat diese Übergangsregelung nach Nr. 2.5 Anhang XII der Beitrittsakte bis zum Ablauf von sieben Jahren nach dem Beitritt, also bis zum 30.4.2011, verlängert und den Zugang für Staatsangehörige Polens während der Übergangsfrist gem. § 284 Abs. 1 SGB III dahingehend beschränkt, dass diese und deren freizügigkeitsberechtigte Familienangehörige eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit ausüben und von Arbeitgebern nur beschäftigt werden dürfen, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen. Diese Einschränkung bewirkt aber nicht, dass der Unionsbürger bei fehlender arbeitsrechtlicher Genehmigung als nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer zu behandeln ist. Für EU-Staatsangehörige gilt gem. Art. 21 Abs. 1 AEUV ein von der Arbeitnehmerfreizügigkeit unabhängiges Freizügigkeitsrecht, das allein aus der Unionsbürgerschaft folgt.
Danach hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Es handelt sich um ein unmittelbar anwendbares subjektiv-öffentliches Recht, das dem Unionsbürger unabhängig vom Zweck seiner Inanspruchnahme zusteht. Dieses Aufenthaltsrecht der Unionsbürger entfällt, sobald die Ausländerbehörde nach §§ 5, 6 FreizügG/EU festgestellt hat, dass das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU nicht besteht. Erst nach einer entsprechenden Feststellung findet das AufenthG Anwendung mit der Folge, dass der Unionsbürger einen Aufenthaltstitel nach dem AufenthG benötigt, will er sich weiterhin legal in Deutschland aufhalten. Allein die fehlende Arbeitsgenehmigung ohne eine Feststellung des Verlustes des Aufenthaltsrechts führt somit nicht dazu, dass der Unionsbürger nunmehr als nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer i.S.d. § 62 Abs. 2 EStG zu behandeln ist.
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