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Zur Leistungsfähigkeit eines zum Elternunterhalt verpflichteten Kindes

BGH 9.3.2016, XII ZB 693/14

Eine even­tu­elle Ver­pflich­tung zur Zah­lung von Be­treu­ungs­un­ter­halt nach § 1615 l BGB ist bei der Be­mes­sung der Leis­tungsfähig­keit nach § 1603 Abs. 1 BGB zur Zah­lung von El­tern­un­ter­halt zu berück­sich­ti­gen. El­tern­be­zo­gene Gründe können bei zu­sam­men­le­ben­den El­tern auch darin lie­gen, dass ein El­tern­teil das ge­mein­same Kind im Ein­ver­neh­men mit dem an­de­ren El­tern­teil persönlich be­treut und des­halb voll oder teil­weise an ei­ner Er­werbstätig­keit ge­hin­dert ist.

Der Sach­ver­halt:
Der heute 75-jährige S. ist der Va­ter des An­trags­geg­ners. Er wird seit An­fang 2010 von einem Pfle­ge­dienst in der ei­ge­nen Woh­nung be­treut und ver­sorgt und be­zieht lau­fende So­zi­al­hilfe (Hilfe zur Pflege). Der An­trag­stel­ler ist ein So­zi­al­hil­feträger und ver­langt vom An­trags­geg­ner aus über­ge­gan­ge­nem Recht nach § 94 SGB XII für den Zeit­raum ab Ja­nuar 2012 El­tern­un­ter­halt. Die­ser lebt in ei­ner nicht­ehe­li­chen Le­bens­ge­mein­schaft, aus der eine im De­zem­ber 2008 ge­bo­rene Toch­ter her­vor­ge­gan­gen ist. Seine Le­bens­gefähr­tin ist ge­schie­den. Zwei aus ih­rer Ehe stam­mende min­derjährige Kin­der le­ben eben­falls im ge­mein­sa­men Haus­halt.

AG und OLG ha­ben den An­trags­geg­ner zur Zah­lung rückständi­gen und lau­fen­den El­tern­un­ter­halts ver­pflich­tet. Da­bei war das Ge­richt u.a. da­von aus­ge­gan­gen, dass sich der An­trags­geg­ner nicht - wie ein ver­hei­ra­te­ter Un­ter­halts­schuld­ner - auf einen erhöhten Fa­mi­li­en­selbst­be­halt be­ru­fen könne, da er schließlich sei­ner Le­bens­gefähr­tin nicht zum Fa­mi­li­en­un­ter­halt ver­pflich­tet sei. Auf die Rechts­be­schwerde des An­trags­geg­ners hat der BGH die Ent­schei­dung der Vor­in­stan­zen auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück­ver­wie­sen.

Die Gründe:
Die an­ge­foch­tene Ent­schei­dung konnte kei­nen Be­stand ha­ben. Das OLG wird im wei­te­ren Ver­fah­ren Grund und Höhe ei­nes vor­ran­gig zu berück­sich­ti­gen­den An­spruchs auf Be­treu­ungs­un­ter­halt fest­stel­len müssen.

Zwar kann sich ein Un­ter­halts­pflich­ti­ger, auch wenn er mit sei­ner Le­bens­gefähr­tin und dem ge­mein­sa­men Kind in ei­ner nicht­ehe­li­chen Le­bens­ge­mein­schaft lebt und für den ge­mein­sa­men Un­ter­halt auf­kommt, nicht auf einen Fa­mi­li­en­selbst­be­halt be­ru­fen. Eine even­tu­elle Un­ter­halts­pflicht ist al­ler­dings als sons­tige Ver­pflich­tung i.S.v. § 1603 Abs. 1 BGB vor­ran­gig zu berück­sich­ti­gen. Ist nämlich das ge­mein­same Kind - wie hier - älter als drei Jahre, steht dem be­treu­en­den El­tern­teil nach § 1615 l Abs. 2 S. 4 BGB wei­ter­hin ein An­spruch auf Be­treu­ungs­un­ter­halt zu, wenn dies der Bil­lig­keit ent­spricht. Da­bei sind so­wohl kind- als auch el­tern­be­zo­gene Gründe zu berück­sich­ti­gen.

Da im vor­lie­gen­den Fall keine kind­be­zo­ge­nen Verlänge­rungsgründe fest­ge­stellt wor­den wa­ren, ka­men le­dig­lich el­tern­be­zo­gene Gründe in Be­tracht. Sol­che können bei zu­sam­men­le­ben­den El­tern auch darin lie­gen, dass ein El­tern­teil das ge­mein­same Kind im Ein­ver­neh­men mit dem an­de­ren El­tern­teil persönlich be­treut und des­halb voll oder teil­weise an ei­ner Er­werbstätig­keit ge­hin­dert ist. Eine rechts­missbräuch­li­che Aus­ge­stal­tung des fa­miliären Zu­sam­men­le­bens zu Las­ten des Un­ter­halts­an­spruchs des Va­ters war hier nicht er­sicht­lich.

Link­hin­weise:

  • Der Voll­text die­ser Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für die Pres­se­mit­tei­lung des BGH kli­cken Sie bitte hier.
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