Der Sachverhalt:
Die Bevollmächtigten der Kläger wurden zunächst mit der Nacherklärung ausländischer Kapitaleinkünfte für die Jahre 2008-2011 beauftragt. Hierzu legten sie zwei Vollmachten vor, die neben der Vertretungsvollmacht eine Empfangsvollmacht beinhalten. Die Vollmachten sind auf "Nacherklärung von Einkünften 2008 bis 2011 sowie Einkommensteuer 2012" ausgestellt. Nachfolgend forderte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung R die Bevollmächtigten der Kläger auch zur Nacherklärung der Kapitaleinkünfte für die noch nicht festsetzungsverjährten Jahre 2004-2007 auf.
Im September 2015 reichten die Bevollmächtigten der Kläger die Anlagen KAP für die Jahre 2004-2011 sowie Bankunterlagen auch für die Jahre 2004-2007 ein. In dem Schreiben wiesen die Bevollmächtigten darauf hin, dass es sich bei den Anlagen lediglich um ergänzende Anlagen zu den seinerzeit abgegebenen Steuererklärungen handele, sie die Anlagen sorgfältig erstellt hätten und für Rückfragen zur Verfügung stünden. Auf dem Grunddatenblatt, das der o.g. Vollmacht in der Einkommensteuerakte vorgeheftet ist, ist eine Haftnotiz mit einem von der Sachbearbeiterin A des Finanzamts paraphierten Vermerk geheftet ("Vollmacht gilt auch für die Vorjahre 2004 - 2007 lt. Telefonat vom 11.12.2005"). Die ursprüngliche Einkommensteuererklärung 2004 hatten die Kläger im April 2005 beim Finanzamt eingereicht. Der geänderte Einkommensteuerbescheid 2004 vom 18.12.2015 wurde den Bevollmächtigten unstreitig laut Zustellungsurkunde am 21.12.2015 zugestellt. Die Weiterleitung des Bescheides an die Mandanten erfolgte in 2016.
Der Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg. Parallel hierzu beantragten die Kläger im März 2016 die Feststellung der Nichtigkeit des Einkommensteuerbescheids 2004, da dieser nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden sei. Der Auftrag zur Nacherklärung ausländischer Kapitaleinkünfte sowie die Bevollmächtigung der jetzigen Prozessbevollmächtigten habe sich nur auf die Jahre 2008-2011 bezogen. Für 2004 habe keine Bevollmächtigung bestanden und damit auch keine Bevollmächtigung zum Empfang eines Steuerbescheides. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, da die Bevollmächtigten gegenüber A telefonisch bestätigt hätten, dass die übersandte Vollmacht auch für die Jahre 2004-2007 gelte.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde zugelassen.
Die Gründe:
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit des Bescheides über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer 2004, denn er wurde wirksam bekanntgegeben.
Der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 18.12.2015 wurde den Prozessbevollmächtigten als Bevollmächtigte im Verwaltungsverfahren durch Zustellungsurkunde am 21.12.2015 wirksam bekanntgegeben. Nach § 155 Abs. 1 Satz 2 AO erfolgt die Steuerfestsetzung durch die Bekanntgabe des Steuerbescheides. Diese hat nicht zwingend an den Steuerpflichtigen als Inhaltsadressaten (§ 122 Abs. 1 Satz 1 AO) zu erfolgen, sondern kann nach § 122 Abs. 1 Satz 3 AO auch gegenüber einem Bevollmächtigten erfolgen.
Die Bevollmächtigung nach § 80 Abs. 1 Satz 1 AO setzt eine einseitige empfangsbedürftige Erklärung des Vollmachtgebers gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder einem Dritten voraus. Die Vollmachtserteilung kann sowohl mündlich oder schriftlich, ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten (konkludent) erfolgen. Daneben kommen auch die Rechtsgrundsätze zur Anscheins- und Duldungsvollmacht zur Anwendung. Die Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten erfolgte im Verwaltungsverfahren zumindest durch konkludentes Handeln der Kläger. Dieses liegt in der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten, die Kapitaleinkünfte des Streitjahres zu ermitteln und gegenüber dem Beklagten zu erklären. Entgegen der Ansicht der Kläger kommt es damit nicht darauf an, ob eine ausdrückliche Vollmacht erteilt wurde. Vielmehr gilt aufgrund des unbestrittenen Auftragsverhältnisses zwischen den Klägern und den jetzigen Prozessbevollmächtigten die Vollmacht konkludent als erteilt.
Sollten die Kläger keinen Willen zur Bevollmächtigung gehabt haben, ergibt sich eine Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten im Verwaltungsverfahren aus den Grundsätzen der Duldungsvollmacht. Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt. Zur oben ausgeführten stillschweigenden Bevollmächtigung unterscheidet sich die Duldungsvollmacht darin, dass der Vertretene hier keinen Willen zur Bevollmächtigung hat. Die Voraussetzungen sind im vorliegenden Verfahren gegeben. Die Kläger wussten aufgrund des Auftragsverhältnisses, dass die Prozessbevollmächtigten die verschwiegenen Kapitaleinkünfte nacherklärten und der Beklagte durfte bei verständiger Würdigung dieser Umstände davon ausgehen, dass die Prozessbevollmächtigten seitens der Kläger bevollmächtigt waren.
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