Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte ursprünglich in festverzinsliche Argentinien-Anleihen investiert. Er hielt im Streitjahr 2011 in seinem Depot BIP-gebundene Wertpapiere mit einem Nennbetrag i.H.v. 3 Mio. $. In Höhe eines Nennbetrags von 2.089.575 $ handelte es sich um BIP-gebundene Wertpapiere, die von den im Jahr 2005 getauschten und noch in seinem Depot befindlichen Discounts abgekoppelt worden waren. Zudem hatte der Kläger im Jahr 2006 BIP-gebundene Wertpapiere, die einen Nennbetrag i.H.v. 361.721 $ auswiesen, und am 5.1.2009 weitere BIP-gebundene Wertpapiere zu einem Nennbetrag i.H.v. 548.704 $ (jeweils ohne die zugrunde liegenden Anleihen, von denen diese abgetrennt worden waren) erworben.
Die depotführende Bank bescheinigte dem Kläger für das Streitjahr Kapitalerträge i.H.v. insgesamt 133.416 €. Hiervon entfiel ein Betrag i.H.v. 101.001 € auf die BIP-gebundenen Wertpapiere. Der Kläger beantragte im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr für die Kapitalerträge aus den BIP-gebundenen Wertpapieren die Überprüfung des Steuereinbehalts gem. § 32d Abs. 4 EStG. Er war der Ansicht, die Kapitalerträge aus den BIP-gebundenen Wertpapieren seien i.H.v. 82.528 € nicht steuerbar, da es sich insoweit um sog. Vollrisikopapiere handele, die er vor dem 15.3.2007 erworben habe.
Das Finanzamt berücksichtigte hingegen die auf die BIP-gebundenen Wertpapiere im Streitjahr empfangenen Zahlungen in vollem Umfang gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. als steuerpflichtige Kapitalerträge. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Der BFH bestätigte diese Entscheidung.
Gründe:
Das FG hat ohne Rechtsfehler entschieden, dass die Kapitalerträge des Klägers aus den BIP-gebundenen Wertpapieren i.H.v. 82.528 € nicht der Besteuerung unterliegen. Es hat die BIP-gebundenen Wertpapiere zu Recht als eigenständige Kapitalanlagen beurteilt. Zudem hat es zutreffend eine Steuerpflicht der streitigen Kapitalerträge gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG verneint. Ferner hat das FG rechtsfehlerfrei entschieden, dass die streitigen Kapitalerträge im Streitjahr 2011 im Ergebnis auch nicht gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. steuerpflichtig sind. Diese Regelung ist nämlich gem. § 52a Abs. 8 Satz 1 i.V.m. § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG nicht auf die streitigen Kapitalerträge anzuwenden, da die zugrunde liegenden BIP-gebundenen Wertpapiere vom Kläger vor dem 15.3.2007 erworben wurden.
Dies folgt aus den maßgeblichen Anwendungsbestimmungen in § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG und § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG. Gem. § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG ist § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. erstmals auf laufende Kapitalerträge anzuwenden, die dem Gläubiger nach dem 31.12.2008 zufließen. Dies gilt nach der in § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG enthaltenen Rückausnahme aber nur "vorbehaltlich der Regelungen in Absatz 10 Satz 6 bis 8". § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG hat folgenden Wortlaut: "Bei Kapitalforderungen, die zwar nicht die Voraussetzungen von § 20 Absatz 1 Nr. 7 in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung, aber die Voraussetzungen von § 20 Abs. 1 Nr. 7 in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 14. 8. 2007 (BGBl 2007 I, 1912) [= § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F.] erfüllen, ist § 20 Absatz 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 20 Absatz 1 Nr. 7 vorbehaltlich der [im Streitfall offensichtlich nicht einschlägigen] Regelung in Absatz 11 Satz 4 und 6 auf alle nach dem 30.6.2009 zufließenden Kapitalerträge anzuwenden, es sei denn, die Kapitalforderung wurde vor dem 15.3.2007 angeschafft." Die Voraussetzungen dieser Rückausnahme lagen im Streitfall vor.
Bei den BIP-gebundenen Wertpapieren handelte es sich damit nicht um sonstige Kapitalforderungen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung, sondern um eine Kapitalanlage mit spekulativem Charakter. Aus dem Wortlaut des § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG ist ferner abzuleiten, dass die Norm für Kapitalforderungen, welche die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung nicht erfüllen ("Vollrisikopapiere alten Rechts"), eine zeitliche Anwendungsbestimmung sowohl für Veräußerungsgewinne (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG) als auch für laufende Kapitalerträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) enthält, wenn die Kapitalerträge nach dem 30.6.2009 zufließen.
§ 52a Abs. 10 Satz 8 Halbsatz 1 EStG gilt nach seinem Wortlaut für Kapitalerträge aus Kapitalforderungen gem. "§ 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 i.V.m. § 20 Absatz 1 Nummer 7". Da die Regelung sowohl die Rechtsgrundlage für die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F.) als auch die Rechtsgrundlage für die Besteuerung laufender Kapitalerträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F.) zitiert und generell auf "zufließende Kapitalerträge" abstellt, enthält die Vorschrift aufgrund des Verweises in § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG auf § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG eine zeitliche Anwendungsbestimmung auch für laufende Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. Der Vorbehalt in § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG ist so zu verstehen, dass für laufende Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 geltenden Fassung nicht erfüllen, die allgemeine Anwendungsregel gem. § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG nicht gilt.
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