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Steuerberatung

Zur Steuerbarkeit von Erträgen aus argentinischen Staatsanleihen

BFH v. 28.5.2019 - VIII R 7/16

Sog. BIP-ge­bun­dene Wert­pa­piere, die von ge­gen Ar­gen­ti­nien-An­lei­hen ein­ge­tausch­ten fest­ver­zins­li­chen Schuld­ver­schrei­bun­gen nach den Emis­si­ons­be­din­gun­gen au­to­ma­ti­sch ab­ge­kop­pelt wor­den und mit ei­ner ei­ge­nen Wert­pa­pier­kenn­num­mer ei­genständig han­del­bar sind, bei de­nen die Rück­zah­lung des Nenn­ka­pi­tals aus­ge­schlos­sen ist und die Zah­lung ei­nes Ent­gelts von der Ent­wick­lung des ar­gen­ti­ni­schen Brut­to­in­lands­pro­dukts so­wie an­de­ren va­ria­blen Größen abhängig ist, sind keine Ka­pi­tal­for­de­run­gen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 an­zu­wen­den­den Fas­sung. Es han­delt sich um Ka­pi­tal­an­la­gen mit aus­schließlich spe­ku­la­ti­vem Cha­rak­ter (sog. Voll­ri­si­ko­pa­piere).

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger hatte ur­sprüng­lich in fest­ver­zins­li­che Ar­gen­ti­nien-An­lei­hen in­ves­tiert. Er hielt im Streit­jahr 2011 in sei­nem De­pot BIP-ge­bun­dene Wert­pa­piere mit einem Nenn­be­trag i.H.v. 3 Mio. $. In Höhe ei­nes Nenn­be­trags von 2.089.575 $ han­delte es sich um BIP-ge­bun­dene Wert­pa­piere, die von den im Jahr 2005 ge­tausch­ten und noch in sei­nem De­pot be­find­li­chen Dis­counts ab­ge­kop­pelt wor­den wa­ren. Zu­dem hatte der Kläger im Jahr 2006 BIP-ge­bun­dene Wert­pa­piere, die einen Nenn­be­trag i.H.v. 361.721 $ aus­wie­sen, und am 5.1.2009 wei­tere BIP-ge­bun­dene Wert­pa­piere zu einem Nenn­be­trag i.H.v. 548.704 $ (je­weils ohne die zu­grunde lie­gen­den An­lei­hen, von de­nen diese ab­ge­trennt wor­den wa­ren) er­wor­ben.

Die de­potführende Bank be­schei­nigte dem Kläger für das Streit­jahr Ka­pi­tal­erträge i.H.v. ins­ge­samt 133.416 €. Hier­von ent­fiel ein Be­trag i.H.v. 101.001 € auf die BIP-ge­bun­de­nen Wert­pa­piere. Der Kläger be­an­tragte im Rah­men sei­ner Ein­kom­men­steu­er­erklärung für das Streit­jahr für die Ka­pi­tal­erträge aus den BIP-ge­bun­de­nen Wert­pa­pie­ren die Überprüfung des Steu­er­ein­be­halts gem. § 32d Abs. 4 EStG. Er war der An­sicht, die Ka­pi­tal­erträge aus den BIP-ge­bun­de­nen Wert­pa­pie­ren seien i.H.v. 82.528 € nicht steu­er­bar, da es sich in­so­weit um sog. Voll­ri­si­ko­pa­piere han­dele, die er vor dem 15.3.2007 er­wor­ben habe.

Das Fi­nanz­amt berück­sich­tigte hin­ge­gen die auf die BIP-ge­bun­de­nen Wert­pa­piere im Streit­jahr emp­fan­ge­nen Zah­lun­gen in vol­lem Um­fang gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. als steu­er­pflich­tige Ka­pi­tal­erträge. Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Der BFH bestätigte diese Ent­schei­dung.

Gründe:
Das FG hat ohne Rechts­feh­ler ent­schie­den, dass die Ka­pi­tal­erträge des Klägers aus den BIP-ge­bun­de­nen Wert­pa­pie­ren i.H.v. 82.528 € nicht der Be­steue­rung un­ter­lie­gen. Es hat die BIP-ge­bun­de­nen Wert­pa­piere zu Recht als ei­genständige Ka­pi­tal­an­la­gen be­ur­teilt. Zu­dem hat es zu­tref­fend eine Steu­er­pflicht der strei­ti­gen Ka­pi­tal­erträge gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ver­neint. Fer­ner hat das FG rechts­feh­ler­frei ent­schie­den, dass die strei­ti­gen Ka­pi­tal­erträge im Streit­jahr 2011 im Er­geb­nis auch nicht gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. steu­er­pflich­tig sind. Diese Re­ge­lung ist nämlich gem. § 52a Abs. 8 Satz 1 i.V.m. § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG nicht auf die strei­ti­gen Ka­pi­tal­erträge an­zu­wen­den, da die zu­grunde lie­gen­den BIP-ge­bun­de­nen Wert­pa­piere vom Kläger vor dem 15.3.2007 er­wor­ben wur­den.

Dies folgt aus den maßgeb­li­chen An­wen­dungs­be­stim­mun­gen in § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG und § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG. Gem. § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG ist § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. erst­mals auf lau­fende Ka­pi­tal­erträge an­zu­wen­den, die dem Gläubi­ger nach dem 31.12.2008 zu­fließen. Dies gilt nach der in § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG ent­hal­te­nen Rück­aus­nahme aber nur "vor­be­halt­lich der Re­ge­lun­gen in Ab­satz 10 Satz 6 bis 8". § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG hat fol­gen­den Wort­laut: "Bei Ka­pi­tal­for­de­run­gen, die zwar nicht die Vor­aus­set­zun­gen von § 20 Ab­satz 1 Nr. 7 in der am 31.12.2008 an­zu­wen­den­den Fas­sung, aber die Vor­aus­set­zun­gen von § 20 Abs. 1 Nr. 7 in der Fas­sung des Ar­ti­kels 1 des Ge­set­zes vom 14. 8. 2007 (BGBl 2007 I, 1912) [= § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F.] erfüllen, ist § 20 Ab­satz 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 20 Ab­satz 1 Nr. 7 vor­be­halt­lich der [im Streit­fall of­fen­sicht­lich nicht ein­schlägi­gen] Re­ge­lung in Ab­satz 11 Satz 4 und 6 auf alle nach dem 30.6.2009 zu­fließen­den Ka­pi­tal­erträge an­zu­wen­den, es sei denn, die Ka­pi­tal­for­de­rung wurde vor dem 15.3.2007 an­ge­schafft." Die Vor­aus­set­zun­gen die­ser Rück­aus­nahme la­gen im Streit­fall vor.

Bei den BIP-ge­bun­de­nen Wert­pa­pie­ren han­delte es sich da­mit nicht um sons­tige Ka­pi­tal­for­de­run­gen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 an­zu­wen­den­den Fas­sung, son­dern um eine Ka­pi­tal­an­lage mit spe­ku­la­ti­vem Cha­rak­ter. Aus dem Wort­laut des § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG ist fer­ner ab­zu­lei­ten, dass die Norm für Ka­pi­tal­for­de­run­gen, wel­che die Vor­aus­set­zun­gen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 an­zu­wen­den­den Fas­sung nicht erfüllen ("Voll­ri­si­ko­pa­piere al­ten Rechts"), eine zeit­li­che An­wen­dungs­be­stim­mung so­wohl für Veräußerungs­ge­winne (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG) als auch für lau­fende Ka­pi­tal­erträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) enthält, wenn die Ka­pi­tal­erträge nach dem 30.6.2009 zu­fließen.

§ 52a Abs. 10 Satz 8 Halb­satz 1 EStG gilt nach sei­nem Wort­laut für Ka­pi­tal­erträge aus Ka­pi­tal­for­de­run­gen gem. "§ 20 Ab­satz 2 Satz 1 Num­mer 7 i.V.m. § 20 Ab­satz 1 Num­mer 7". Da die Re­ge­lung so­wohl die Rechts­grund­lage für die Be­steue­rung von Veräußerungs­ge­win­nen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F.) als auch die Rechts­grund­lage für die Be­steue­rung lau­fen­der Ka­pi­tal­erträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F.) zi­tiert und ge­ne­rell auf "zu­fließende Ka­pi­tal­erträge" ab­stellt, enthält die Vor­schrift auf­grund des Ver­wei­ses in § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG auf § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG eine zeit­li­che An­wen­dungs­be­stim­mung auch für lau­fende Ka­pi­tal­erträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. Der Vor­be­halt in § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG ist so zu ver­ste­hen, dass für lau­fende Ka­pi­tal­erträge aus Ka­pi­tal­for­de­run­gen, die die Vor­aus­set­zun­gen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 gel­ten­den Fas­sung nicht erfüllen, die all­ge­meine An­wen­dungs­re­gel gem. § 52a Abs. 8 Satz 1 EStG nicht gilt.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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