Der Sachverhalt:
Der Kläger ist als selbständiger Allgemeinmediziner und Honorarnotarzt tätig. 2010 verpflichtete er sich im Rettungsdienst als Leitender Notarzt mitzuarbeiten. Die Sicherstellung der notärztlichen Versorgung erfolgte durch einen Vertrag zwischen dem Landkreis (Träger des Rettungsdienstes) und Frau X (Notarzt-Vertragspartnerin). X erhält für die notärztliche Versorgung, einschließlich aller Nebenleistungen einen Pauschalbetrag. Einsatzabhängige Vergütungen oder weitere Erstattungen werden nicht geleistet. Um diesen Vertrag zu erfüllen, setzte X andere Notärzte ein, so auch den Kläger, mit dem sie 2008 einen Honorarvertrag über eine freie Mitarbeit als Notarzt abschloss.
Der Notarzt wird in Alarmierungsfällen mit einem Notarztfahrzeug von seinem Aufenthaltsort zum Einsatz abgeholt und zum Notfalleinsatzort gebracht, um dort ggf. lebensrettende Maßnahmen durchzuführen und den Patienten auf dem Weg ins Krankenhaus während des Transports im Rettungswagen zu begleiten und notfallmäßig zu behandeln. Entsprechend den Dienstplänen und ausweislich der Stundenabrechnungen über tatsächlich erbrachte Bereitschaftsdienstzeiten wurde der Kläger an bestimmten Tagen im Monat für 24 Stunden durchgehend als Notarzt eingesetzt. An diesen Tagen durfte er sich höchstens 1 km von der Rettungswache entfernt aufhalten. Die dem Kläger gezahlte - minutengenau abgerechnete - Stundenvergütung betrug pauschal 20 €. Die Vergütung wurde für die Zeit der Bereitschaft geleistet. Für den einzelnen Einsatz wurde keine Extravergütung gezahlt. Rechnungen an X wurden vom Kläger nicht erteilt. Die Abrechnung mit den Notfallpatienten erfolgte durch den Träger des Rettungsdienstes, dem Landkreis, direkt.
Neben seiner Tätigkeit als Notarzt für die Rettungswache war der Kläger noch als Notarzt für die zentrale Notfallpraxis der Ärzteschaft (ZNP) auf Honorarbasis tätig. Bei der ZNP handelt es sich um eine Einrichtung der niedergelassenen Ärzte mit Unterstützung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Sicherstellung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes außerhalb der Praxis-Öffnungszeiten. Leistungen, die der Kläger im Rahmen des Bereitschaftsdienstes unmittelbar gegenüber den Patienten erbrachte, rechnete er im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gegenüber den von ihm behandelten Patienten ab. Darüber hinaus erhielt der Kläger von der ZNP wegen der Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft während der Bereitschaftsdienstzeit eine Stundenvergütung unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der behandelten Patienten. Das Finanzamt behandelte sowohl die Umsätze aus den Notarzthonoraren von X als auch die ZNP-Erlöse als umsatzsteuerpflichtig.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat die Bereitschaftsdienste des Klägers gegenüber X und der ZNP in den Streitjahren zu Unrecht nicht als Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG behandelt.
Nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG sind "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden" steuerfrei. Die Vorschrift beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL, wonach Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, steuerfrei sind.
Der Begriff der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin ist nach der Rechtsprechung des EuGH nicht besonders eng auszulegen. Er umfasst die Diagnose, die Behandlung und, soweit möglich, die Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen. Heilbehandlungen müssen einen therapeutischen Zweck haben. Zu den Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gehören auch Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, wie vorbeugende Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen an Personen, die an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, sowie Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden. Allerdings kann der Begriff "ärztliche Heilbehandlung" nicht auf sämtliche Leistungen, die mit der Behandlung von Patienten zusammenhängen, ausgedehnt werden. Denn die bei der Auslegung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG zu berücksichtigende Bestimmung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL enthält - im Gegensatz zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL - keine Bezugnahme auf Umsätze, die "mit ärztlichen Heilbehandlungen eng verbunden" sind.
Nach alldem handelt es sich bei den vom Kläger in den Streitjahren gegenüber X und der ZNP erbrachten notärztlichen Bereitschaftsdiensten um Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin. Reine ärztliche Bereitschaftsdienste, welche dadurch gekennzeichnet sind, dass sich ein Arzt zur Sicherstellung der notärztlichen Behandlung in einem Landkreis jederzeit zum Einsatz bereithält, sind als Heilbehandlungen einzustufen, denn derartige Dienste sind für notärztliche Behandlungen unerlässlich und gehören zum typischen Berufsbild eines Arztes. Die Übernahme derartiger Bereitschaftsdienste ist daher nicht etwa nur Voraussetzung für eine ggf. erforderliche Notfallbehandlung, sondern sie dient selbst der Behandlung einer Krankheit oder Gesundheitsstörung und wird daher von § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG mit umfasst.
Reine ärztliche Bereitschaftsdienste, welche dadurch gekennzeichnet sind, dass sich ein Arzt zur Sicherstellung der notärztlichen Behandlung in einem Landkreis jederzeit zum Einsatz bereithält, sind als Heilbehandlungen einzustufen, denn derartige Dienste sind für notärztliche Behandlungen unerlässlich und gehören zum typischen Berufsbild eines Arztes. Die Übernahme derartiger Bereitschaftsdienste ist daher nicht etwa nur Voraussetzung für eine gegebenenfalls erforderliche Notfallbehandlung, sondern sie dient selbst der Behandlung einer Krankheit oder Gesundheitsstörung und wird daher von § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG mit umfasst.