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Zur Teilunwirksamkeit des Rahmenvertrages für Finanztermingeschäfte

BGH 9.6.2016, IX ZR 314/14

Der BGH hat sich mit der Teil­un­wirk­sam­keit des Rah­men­ver­tra­ges für Fi­nanz­ter­min­ge­schäfte be­fasst, so­weit die­ser § 104 InsO wi­der­spricht. Die Par­teien des Ver­fah­rens strei­ten nach dem Ein­tritt der In­sol­venz über das Vermögen der be­klag­ten Bank um An­sprüche aus zu­vor ge­schlos­se­nen Op­ti­ons­ge­schäften.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin­nen hat­ten mit der Be­klag­ten, ei­ner Han­dels­ge­sell­schaft eng­li­schen und wa­li­si­schen Rechts, Ak­ti­en­op­ti­ons­ge­schäfte ge­schlos­sen. Die Kläge­rin­nen räum­ten der Be­klag­ten Kauf­op­tio­nen für SAP-Ak­tien der­ge­stalt ein, dass die Be­klagte das Recht hatte, zu einem be­stimm­ten Stich­tag eine be­stimmte An­zahl die­ser Ak­tien zu einem be­stimm­ten Kauf­preis (Ausübungs­preis) zu er­wer­ben. Die Op­tion sollte als ausgeübt gel­ten, wenn der Börsen­kurs der Ak­tien am Stich­tag höher oder gleich dem ver­ein­bar­ten Ausübungs­preis sein würde. An­dern­falls soll­ten die Op­tio­nen ver­fal­len.

Dem Ver­trag lag u.a. der "Rah­men­ver­trag für Fi­nanz­ter­min­ge­schäfte" zu­grunde. Die­ser be­ruht auf dem vom deut­schen Bun­des­ver­band Deut­scher Ban­ken pu­bli­zier­ten Mus­ter "Deut­scher Rah­men­ver­trag für Fi­nanz­ter­min­ge­schäfte". Am 15.9.2008 wurde über das Vermögen der Be­klag­ten beim zuständi­gen High Court of Justice in Lon­don das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Zu die­sem Zeit­punkt war zwi­schen der Be­klag­ten den Kläge­rin­nen je­weils noch ein Op­ti­ons­ge­schäft mit Ausübungs­stich­tag 18.12.2009 über je­weils 2 Mio. SAP-Ak­tien zu einem Kauf­preis i.H.v. 36,10 € je Ak­tie of­fen.

Der Schluss­kurs der SAP-Ak­tie be­lief sich am 15.9.2008 auf 38,15 €. Am 18.12.2009, dem vor­ge­se­he­nen Stich­tag, be­trug der Schluss­kurs 32,205 €. Die Par­teien strei­ten darüber, wel­che Aus­wir­kun­gen die In­sol­venz der Be­klag­ten vor dem Hin­ter­grund der Re­ge­lun­gen des Rah­men­ver­tra­ges und den Vor­schrif­ten der InsO hat. Die Be­klagte er­rech­nete auf der Ba­sis des Rah­men­ver­tra­ges für sich einen Aus­gleichs­an­spruch i.H.v. 12,974 Mio. € je streit­ge­genständ­li­chem Op­ti­ons­ge­schäft und ver­wei­gerte vor die­sem Hin­ter­grund die Her­aus­gabe der verpfände­ten Ak­tien.

Das LG wies die ent­spre­chende Wi­der­klage der Be­klag­ten ab. Das OLG gab ihr bis auf einen klei­nen Teil statt. Es da­von aus, dass der Be­klag­ten ge­genüber den Kläge­rin­nen ein An­spruch in Höhe des Markt­prei­ses der Op­tion zu­steht. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin­nen hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur er­neu­ten Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das in § 104 InsO ge­re­gelte Aus­gleichs­re­gime ist im In­sol­venz­fall ge­genüber dem Rah­men­ver­trag vor­ran­gig. Dies er­gibt sich aus § 119 InsO, wo­nach Ver­ein­ba­run­gen, die wie die Vor­lie­gende im Vor­aus die An­wen­dung von § 104 InsO be­schränken, un­wirk­sam sind. Da­nach ist die Ver­ein­ba­rung un­wirk­sam, so­weit die darin vor­ge­se­hene Be­rech­nungs­me­thode für den Aus­gleichs­an­spruch im In­sol­venz­fall von § 104 Abs. 2 und 3 InsO ab­weicht. Es ist wi­der­sprüch­lich, wenn ei­ner­seits die Masse durch § 104 Abs. 2 InsO ge­schützt wer­den soll, in­dem diese Vor­schrift kein In­sol­venz­ver­wal­ter­wahl­recht vor­sieht, an­de­rer­seits die Par­teien ge­rade die­sen Zweck des Mas­se­schut­zes durch in­di­vi­du­al­ver­trag­li­che Ver­ein­ba­run­gen um­ge­hen können, die eine vom Ge­setz zu Las­ten der Masse ab­wei­chende Be­rech­nungs­weise des Aus­gleichs­an­spruchs vor­se­hen.

Ins­be­son­dere die im Rah­men­ver­trag, nicht je­doch in § 104 Abs. 3 InsO vor­ge­se­hene Be­schränkung ei­nes von der sol­ven­ten Par­tei aus­zu­glei­chen­den fi­nan­zi­el­len Vor­teils auf den von der in­sol­ven­ten Par­tei er­lit­te­nen Scha­den wäre ge­eig­net, das durch § 104 Abs. 3 InsO gewähr­leis­tete Ni­veau des Mas­se­schut­zes ab­zu­sen­ken. Der Um­stand, dass in § 104 Abs. 2 S. 3 InsO Rah­men­verträge über Fi­nanz­dienst­leis­tun­gen erwähnt wer­den, eröff­net nicht die Möglich­keit, über den in die­ser Vor­schrift vor­ge­se­he­nen Re­ge­lungs­rah­men hin­aus Ab­wei­chun­gen von § 104 InsO ver­trag­lich vor­zu­se­hen. Die An­wen­dung des § 104 InsO führt auch nicht zu einem un­ter Ge­rech­tig­keits­ge­sichts­punk­ten un­trag­ba­ren Er­geb­nis, weil die Kläge­rin­nen grundsätz­lich im An­schluss an den In­sol­venz­zeit­punkt eine ent­spre­chende Zahl von Op­tio­nen mit dem­sel­ben Stich­tag an Dritte hätten ver­kau­fen und so Erlöse hätten er­zie­len können, die ebenso hoch ge­we­sen wären wie die der Be­klag­ten zu er­stat­tende Aus­gleichs­for­de­rung. Die Lage der Kläge­rin­nen hätte dann der­je­ni­gen ent­spro­chen, die ohne die In­sol­venz der Be­klag­ten be­stan­den hätte.

Die Vor­schrift des § 104 Abs. 3 InsO macht den An­spruch der Masse we­gen Nichterfüllung nicht da­von abhängig, dass tatsäch­lich ein in glei­cher Weise ge­si­cher­tes De­ckungs­ge­schäft ab­ge­schlos­sen wer­den konnte. § 104 InsO gibt eine ab­strakte Be­rech­nungs­me­thode für die For­de­rung we­gen Nichterfüllung vor. Der Par­tei, die am maßgeb­li­chen Stich­tag "im Geld" steht, soll der durch die Ver­trags­be­en­di­gung ver­lo­ren ge­gan­gene Vor­teil nach Markt­prei­sen er­stat­tet wer­den. Auf­grund der Re­ge­lung des § 104 Abs. 2 InsO en­det das Fi­nanz­ge­schäft au­to­ma­ti­sch. Will eine Ver­trags­par­tei die gewünsch­ten Wert­pa­piere wei­ter­hin am ver­ein­bar­ten Stich­tag er­hal­ten oder wei­ter­hin am ver­ein­bar­ten Stich­tag zur Lie­fe­rung ver­pflich­tet sein, muss sie ein Er­satz­ge­schäft ab­schließen.

Da sich die Aus­gleichs­for­de­rung nach § 104 Abs. 3 InsO und nicht nach der un­wirk­sa­men Nr. 8 Abs. 1 des Rah­men­ver­tra­ges rich­tet, hätte das OLG bei sei­ner Be­rech­nung aber nicht auf den 15.9.2008 ab­stel­len dürfen, son­dern gem. § 104 Abs. 3 S. 2 InsO auf den zwei­ten Werk­tag nach Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens, also auf den 17.9.2008. Die Be­rech­nung des OLG be­geg­nete i.Ü. aus wei­te­ren pro­zes­sua­len Gründen recht­li­chen Be­den­ken. Das Be­ru­fungs­ur­teil war da­her auf­zu­he­ben und die Sa­che zur er­neu­ten Ent­schei­dung zurück­zu­ver­wei­sen. Im Rah­men der nach­zu­ho­len­den Be­weis­auf­nahme zum Markt­wert der Op­tio­nen am 17.9.2008 wird das OLG zu klären ha­ben, ob die Er­mitt­lung ei­nes Markt­wer­tes der Op­tion über­haupt möglich ist. Für den Markt­preis ist nicht die Han­del­bar­keit der Op­tion maßgeb­lich, son­dern die be­ste­hende Möglich­keit ei­ner Er­satz­ein­de­ckung für den­sel­ben Ausübungs­stich­tag. War eine sol­che Er­satz­ein­de­ckung nicht möglich, be­steht auch kein Aus­gleichs­an­spruch.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für die Pres­se­mit­tei­lung des BGH kli­cken Sie bitte hier.
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