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Steuerberatung

Zur Veräußerung eines Handelsgeschäfts aus der Insolvenz

BGH v. 3.12.2019 - II ZR 457/18

§ 25 Abs. 1 Satz 1 HGB ist auf den Er­werb ei­nes Han­dels­ge­schäfts aus der In­sol­venz auch dann nicht an­wend­bar, wenn die Veräußerung nicht durch den In­sol­venz­ver­wal­ter, son­dern durch den Schuld­ner in der Ei­gen­ver­wal­tung er­folgt.

Der Sach­ver­halt:
Über das Vermögen der Elek­tro­ge­sell­schaft H. mbH (Schuld­ne­rin) wurde am 1.8.2014 das In­sol­venz­ver­fah­ren in Ei­gen­ver­wal­tung eröff­net. Die Schuld­ne­rin be­auf­tragte die Kläge­rin im Ja­nuar 2015 mit der Durchführung von Elek­tro­in­stal­la­ti­ons­ar­bei­ten. Die Be­klagte zu 1) ent­stand mit ih­rer Ein­tra­gung im Han­dels­re­gis­ter am 17.3.2015. Am 15.7.2015 ver­kaufte die Schuld­ne­rin alle zu ih­rem Ge­schäfts­be­trieb gehören­den Wirt­schaftsgüter an die Be­klagte zu 1) mit Wir­kung zum 1.7.2015.

Mit Schrei­ben vom 2.10.2015 er­hob die Be­klagte zu 1) eine Mängelrüge un­ter Frist­set­zung im Hin­blick auf die von der Schuld­ne­rin bei der Kläge­rin be­auf­trag­ten Werkleis­tun­gen. Nach­dem eine Re­ak­tion der Kläge­rin aus­blieb, teilte die Be­klagte zu 1) der Kläge­rin am 4.2.2016 mit, den Man­gel selbst be­he­ben zu wol­len. Sie stellte der Kläge­rin im Fol­gen­den Man­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten i.H.v. rd. 2.900 € in Rech­nung.

AG und LG ga­ben der ge­gen die Be­klagte zu 1) und de­ren Ge­schäftsführer, den Be­klag­ten zu 2), als Ge­samt­schuld­ner ge­rich­te­ten Klage auf Zah­lung von rd. 2.800 € nebst Zin­sen i.H.v. rd. 1.000 € ge­genüber der Be­klag­ten zu 1) statt, und wie­sen sie im Übri­gen - ebenso wie die Wi­der­klage der Be­klag­ten zu 1) auf Zah­lung der Man­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten - ab. Auf die Re­vi­sion der Be­klag­ten zu 1) hob der BGH die Ent­schei­dun­gen von AG und LG auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Das LG hat rechts­feh­ler­haft an­ge­nom­men, dass die Be­klagte zu 1) für die Ver­pflich­tung der Schuld­ne­rin zur Werklohn­zah­lung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB haf­tet. Bei der Veräußerung ei­nes Han­dels­ge­schäfts während ei­nes In­sol­venz­ver­fah­rens in Ei­gen­ver­wal­tung ist § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht an­wend­bar. Da­her kann da­hin­ste­hen, ob die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Haf­tung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB im Streit­fall vor­lie­gen.

Nach der höchstrich­ter­li­chen Recht­spre­chung fin­det § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB beim Ver­kauf des Han­dels­ge­schäfts durch den In­sol­venz­ver­wal­ter im eröff­ne­ten In­sol­venz­ver­fah­ren keine An­wen­dung. Die Veräußerung des Han­dels­ge­schäfts durch den In­sol­venz­ver­wal­ter dul­det eine Schul­den­haf­tung des Er­wer­bers nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht, da sie den be­stim­men­den Grundsätzen des In­sol­venz­ver­fah­rens zu­wi­der­liefe. Die Auf­gabe des In­sol­venz­ver­wal­ters, das Un­ter­neh­men im In­ter­esse der Gläubi­ger an der bestmögli­chen Ver­wer­tung der Masse im Gan­zen zu veräußern, würde durch eine mögli­che Haf­tung des Er­wer­bers für die Schul­den des bis­he­ri­gen Un­ter­neh­men­strägers er­schwert wer­den. Zu­dem käme es zu ei­ner sys­tem­wid­ri­gen Be­vor­zu­gung ein­zel­ner hier­durch begüns­tig­ter In­sol­venzgläubi­ger un­ter Be­nach­tei­li­gung der übri­gen In­sol­venzgläubi­ger, die sich an­ge­sichts ei­ner da­durch zu er­war­ten­den Erlösschmäle­rung mit ei­ner ge­rin­ge­ren Ver­tei­lungs­masse zu begnügen hätten. Dies wi­der­spräche dem Grund­satz der gleichmäßigen Be­frie­di­gung al­ler In­sol­venzgläubi­ger.

Diese Recht­spre­chung hat in der Li­te­ra­tur weit über­wie­gend Zu­stim­mung ge­fun­den. Die Ge­gen­auf­fas­sung, die mit Rück­sicht auf § 25 Abs. 2 HGB ein Bedürf­nis für eine ein­schränkende Aus­le­gung von § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB ver­neint, über­zeugt nicht. Es ist nicht sach­ge­recht, den In­sol­venz­ver­wal­ter auf eine von wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen abhängige Aus­nah­me­vor­schrift (§ 25 Abs. 2 HGB) zu ver­wei­sen, ob­wohl die an­sons­ten re­gelmäßig grei­fende Er­wer­ber­haf­tung durch­weg mit den be­stim­men­den Grundsätzen des In­sol­venz­ver­fah­rens kol­li­diert. Für die Veräußerung im In­sol­venz­ver­fah­ren mit an­ge­ord­ne­ter Ei­gen­ver­wal­tung er­gibt sich nichts an­de­res. Ent­ge­gen der An­sicht des OLG sind die Erwägun­gen, die zu einem Aus­schluss der An­wen­dung des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB auf Veräußerun­gen des In­sol­venz­ver­wal­ters geführt ha­ben, auf Veräußerungs­ge­schäfte des Schuld­ners im Ei­gen­ver­wal­tungs­ver­fah­ren über­trag­bar.

Die Ent­schei­dung über den bes­ten Weg zur Er­rei­chung der in­sol­venz­recht­li­chen Ver­fah­rens­ziele (ins­be­son­dere Still­le­gung, Fortführung, In­sol­venz­plan, über­tra­gende Sa­nie­rung) ist gem. § 157 InsO im In­sol­venz­ver­fah­ren der Gläubi­ger­ver­samm­lung zu­ge­wie­sen. Daran ändert sich grundsätz­lich nichts, wenn bei der Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens die Ei­gen­ver­wal­tung an­ge­ord­net wird (§ 270 Abs. 1 Satz 2 InsO). Das In­sol­venz­ge­richt be­stellt al­ler­dings kei­nen In­sol­venz­ver­wal­ter. Der Schuld­ner bleibt während der Dauer des In­sol­venz­ver­fah­rens nach § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO be­rech­tigt, un­ter der Auf­sicht ei­nes Sach­wal­ters die In­sol­venz­masse zu ver­wal­ten und über sie zu verfügen. In Ausübung die­ser Be­fug­nisse kann es dem Schuld­ner ob­lie­gen, sein Han­dels­ge­schäft im In­ter­esse der Gläubi­ger an der bestmögli­chen Ver­wer­tung der Masse im Gan­zen zu veräußern. Die An­wen­dung des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB würde auch in der Ei­gen­ver­wal­tung zu ei­ner Be­vor­zu­gung ein­zel­ner In­sol­venzgläubi­ger führen, wo­durch die übri­gen In­sol­venzgläubi­ger be­nach­tei­ligt würden. Eine Be­vor­zu­gung ein­zel­ner In­sol­venzgläubi­ger wi­der­spricht dem Grund­satz der gleichmäßigen Be­frie­di­gung al­ler In­sol­venzgläubi­ger, der auch im Ei­gen­ver­wal­tungs­ver­fah­ren Gel­tung be­an­sprucht.

Im Übri­gen ist - ent­ge­gen der Auf­fas­sung des LG - eine Veräußerung des Han­dels­ge­schäfts durch den ei­gen­ver­wal­ten­den Schuld­ner auch nicht mit der Veräußerung durch den Se­ques­ter nach der Kon­kurs­ord­nung ver­gleich­bar. Zu­tref­fend ist al­ler­dings, dass nach der Recht­spre­chung des Se­nats § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB auf die Veräußerung ei­nes Han­dels­ge­schäfts durch den Se­ques­ter der Kon­kurs­ord­nung an­zu­wen­den war. Zur Begründung hat der Se­nat maßgeb­lich dar­auf ab­ge­stellt, dass Funk­tio­nen und Be­fug­nisse von Se­ques­ter und Kon­kurs­ver­wal­ter nicht mit­ein­an­der ver­gleich­bar sind. Eine Veräußerung durch den Se­ques­ter vor Kon­kurseröff­nung war im Re­gel­fall nicht ohne Zu­stim­mung des Schuld­ners möglich. Sie stand da­mit recht­lich ei­ner Veräußerung durch den Schuld­ner näher als der­je­ni­gen durch den Kon­kurs­ver­wal­ter. Zu­dem galt im Se­que­stra­ti­ons­ver­fah­ren noch nicht der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz. Ei­ner Über­tra­gung die­ser Erwägun­gen auf den ei­gen­ver­wal­ten­den Schuld­ner steht die Aus­ge­stal­tung des Ei­gen­ver­wal­tungs­ver­fah­rens ent­ge­gen. Die Stel­lung des ei­gen­ver­wal­ten­den Schuld­ners ähnelt nicht der des Se­ques­ters, son­dern ist der­je­ni­gen des In­sol­venz­ver­wal­ters an­ge­gli­chen.

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