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Steuerberatung

Zur Vorsteuervergütung im Insolvenzeröffnungsverfahren

BFH v. 23.7.2020 - V R 26/19

55 Abs. 4 InsO ist nur auf Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten, nicht aber auch auf Vergütungs­an­sprüche zu­guns­ten der Masse an­zu­wen­den.

Der Sach­ver­halt:
Das zuständige AG be­stellte den Kläger im Au­gust 2017 gem. §§ 21, 22 InsO zum vorläufi­gen In­sol­venz­ver­wal­ter über das Vermögen ei­ner KG und ord­nete an, dass Verfügun­gen nur mit Zu­stim­mung des Klägers wirk­sam sein soll­ten (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2  2. Al­ter­na­tive InsO). Schuld­nern der KG (Dritt­schuld­nern) wurde ver­bo­ten, an die KG zu zah­len. Der Kläger wurde ermäch­tigt, Bank­gut­ha­ben und sons­tige For­de­run­gen der KG ein­zu­zie­hen so­wie ein­ge­hende Gelder ent­ge­gen­zu­neh­men. Die Dritt­schuld­ner wur­den auf­ge­for­dert, nur noch un­ter Be­ach­tung die­ser An­ord­nung zu leis­ten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO). Mit Be­schluss des AG vom 1.11.2017 wurde we­gen Zah­lungs­unfähig­keit und Über­schul­dung das In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der KG eröff­net und der Kläger zum In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt.

Der Kläger über­mit­telte am 10.11.2017 Um­satz­steu­er­vor­an­mel­dun­gen für den Zeit­raum der vorläufi­gen In­sol­venz­ver­wal­tung (Au­gust, Sep­tem­ber und Ok­to­ber 2017) be­tref­fend den Un­ter­neh­mens­teil der In­sol­venz­masse an das Fi­nanz­amt. Da­nach la­gen für den Zeit­raum Au­gust bis Ok­to­ber 2017 ins­ge­samt steu­er­pflich­tige Umsätze i.H.v. rd. 31.000 € mit ei­ner Um­satz­steuer i.H.v. rd. 6.000 € so­wie ab­zieh­bare Vor­steu­er­beträge i.H.v. rd. 83.000 € vor, so dass zu­guns­ten der Masse ein Vergütungs­an­spruch i.H.v. rd. 77.000 € fest­zu­set­zen sei. Dem­ge­genüber ging das Fi­nanz­amt im An­schluss an eine Um­satz­steu­er­son­derprüfung da­von aus, dass die an­ge­mel­de­ten Vor­steu­er­beträge i.H.v. rd. 83.000 € nicht bei der In­sol­venz­masse steu­er­lich zu berück­sich­ti­gen, son­dern dem vor­in­sol­venz­recht­li­chen Vermögens­teil zu­zu­rech­nen seien. Das Fi­nanz­amt lehnte die be­an­tragte Fest­set­zung der Um­satz­steuer für die Vor­an­mel­dungs­zeiträume Au­gust bis Ok­to­ber 2017 un­ter der Mas­se­steu­er­num­mer ab.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Die Re­vi­sion des Klägers hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
§ 55 Abs. 4 InsO enthält keine Re­ge­lung zur Vergütung von Vor­steuerüberhängen. So­weit der Kläger eine auf das Ka­len­der­jahr be­zo­gene Steu­er­be­rech­nung für den Mas­se­be­reich des § 55 InsO un­ter Ein­be­zie­hung der im In­sol­ven­zeröff­nungs­ver­fah­ren ent­stan­de­nen Vor­steuerüberhänge er­strebt, ist hierüber nicht im Ver­fah­ren über die Vor­an­mel­dungs­zeiträume des In­sol­ven­zeröff­nungs­ver­fah­ren, son­dern nur im Ver­fah­ren über einen den Mas­se­be­reich des § 55 InsO be­tref­fen­den Jah­res­be­scheid zu ent­schei­den.

§ 55 Abs. 4 InsO ist nur auf Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten, nicht aber auch auf Vergütungs­an­sprüche zu­guns­ten der Masse an­zu­wen­den. Ver­bind­lich­kei­ten des In­sol­venz­schuld­ners aus dem Steu­er­schuld­verhält­nis, die von einem vorläufi­gen In­sol­venz­ver­wal­ter oder vom Schuld­ner mit Zu­stim­mung ei­nes vorläufi­gen In­sol­venz­ver­wal­ters begründet wor­den sind, gel­ten nach Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens gem. § 55 Abs. 4 InsO als Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten. Im Rah­men von § 55 Abs. 4 InsO sind auch Vor­steu­er­beträge ab­zu­zie­hen, die von einem vorläufi­gen In­sol­venz­ver­wal­ter oder vom Schuld­ner mit Zu­stim­mung ei­nes vorläufi­gen In­sol­venz­ver­wal­ters begründet wor­den sind und die da­her im Rah­men der Steu­er­be­rech­nung für die § 55 Abs. 4 InsO un­ter­lie­gen­den Vor­an­mel­dungs­zeiträume mas­se­ver­bind­lich­keits­min­dernd wir­ken.

Hier­aus folgt nichts an­de­res für den Fall ei­nes Vor­steuerüber­hangs, der für die § 55 Abs. 4 InsO un­ter­lie­gen­den Vor­an­mel­dungs­zeiträume zu einem Vergütungs­an­spruch führt. Maßgeb­lich ist hierfür der auf Ver­bind­lich­kei­ten ein­ge­schränkte Wort­laut des § 55 Abs. 4 InsO. Da­nach wer­den nur Ver­bind­lich­kei­ten den Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten zu­ge­wie­sen. Diese Be­schränkung auf den Steu­er­an­spruch steht ei­ner Er­stre­ckung der Vor­schrift auf an­dere An­sprüche aus dem Steu­er­schuld­verhält­nis i.S.v. § 37 Abs. 1 AO, wie etwa dem Steu­er­vergütungs­an­spruch, ent­ge­gen.

Vor­an­mel­dun­gen kom­men für die Jah­res­steu­er­fest­set­zung keine ma­te­ri­ell-recht­li­che Bin­dungs­wir­kung zu. Der Vor­aus­zah­lungs­be­scheid ist zu kei­ner­lei ma­te­ri­el­len Be­stands­kraft in dem Sinne fähig, dass er mit ge­genüber dem Jah­res­steu­er­be­scheid durch­set­zungsfähi­ger Ver­bind­lich­keit über das Be­ste­hen ei­ner Um­satz­steuer(vor­aus­zah­lungs)schuld ent­schei­det. Diese un­mit­tel­bar das Steu­er­fest­set­zungs­ver­fah­ren be­tref­fen­den Rechts­grundsätze sind auch bei der Zu­ord­nung von Steu­er­an­sprüchen zum In­sol­venz­be­reich des § 38 InsO und zum Mas­se­be­reich des § 55 InsO zu be­ach­ten. Dem Ta­bel­len­ein­trag der Um­satz­steu­er­jah­res­in­sol­venz­for­de­rung kommt nur die Wir­kung ei­nes nach § 130 AO änder­ba­ren Fest­stel­lungs­be­scheids zu. Da­her kann eine feh­ler­hafte Dop­pel­er­fas­sung ein­zel­ner Be­steue­rungs­grund­la­gen in den Be­rei­chen der §§ 38, 55 InsO ebenso wie eine un­zu­tref­fende Nicht­berück­sich­ti­gung nachträglich durch eine Ände­rung der für den Mas­se­ver­bind­lich­keits­be­reich er­gan­ge­nen Steu­er­fest­set­zung wie auch durch eine Ände­rung des Ta­bel­len­ein­trags kor­ri­giert wer­den.

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