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Rechtsberatung

Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach Umwandlung einer AG in eine SE

OLG Frankfurt a.M. 27.8.2018, 21 W 29/18

Bei § 35 Abs. 1 SEBG ist auf den recht­lich ge­bo­te­nen Soll-Zu­stand der Mit­be­stim­mung und nicht auf den prak­ti­zier­ten Ist-Zu­stand zum Zeit­punkt der Um­wand­lung der Ge­sell­schaft von ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft in eine SE ab­zu­stel­len.

Der Sach­ver­halt:

Der An­trag­stel­ler ist Ak­tionär der An­trags­geg­ne­rin. Die Haupt­ver­samm­lung der An­trags­geg­ne­rin, die bis zum 31.7.2017 in der Rechts­form ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft be­stand, be­schloss am 2.6.2017 die form­wech­selnde Um­wand­lung in eine So­cie­tas Eu­ro­paea (SE). Die Ein­tra­gung des Be­schlus­ses in das Han­dels­re­gis­ter der Ge­sell­schaft er­folgte am 31.7.2017. Der Auf­sichts­rat der An­trags­geg­ne­rin be­steht nur aus Ver­tre­tern der An­teils­eig­ner.

Die An­trags­geg­ne­rin selbst be­schäftigte zu Stich­tag 31.7.2017 ins­ge­samt 205 Mit­ar­bei­ter. Zum Kon­zern der An­trags­geg­ne­rin gehören wei­tere Ge­sell­schaf­ten die zu­sam­men mit den Ar­beit­neh­mern der An­trags­geg­ne­rin ins­ge­samt 1046 Ar­beit­neh­mer be­schäfti­gen. Le­dig­lich mit der Deut­sche Woh­nen Be­schaf­fung und Be­tei­li­gung GmbH, die 12 Mit­ar­bei­ter be­schäftigt, be­steht ein Be­herr­schungs­ver­trag. Die kon­zern­recht­li­che Zu­rech­nung der C-GmbH mit über 1.300 Ar­beit­neh­mern ist zwi­schen den Be­tei­lig­ten strei­tig.

Der An­trag­stel­ler be­an­tragte fest­zu­stel­len, dass der Auf­sichts­rat der An­trags­geg­ne­rin nicht nach den für ihn maßgeb­li­chen ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten zu­sam­men­ge­setzt ist und je zur Hälfte aus Auf­sichts­rats­mit­glie­dern der Ak­tionäre und der Ar­beit­neh­mer zu­sam­men­zu­set­zen ist. Er ist der Auf­fas­sung, dass bei der An­trags­geg­ne­rin ein mit­be­stimm­ter Auf­sichts­rat nach den Vor­schrif­ten des Drit­tel­be­tei­li­gungs­ge­set­zes bzw. des Mit­be­stim­mungs­ge­set­zes zu bil­den ist.

Das LG wies den An­trag zurück. Die da­ge­gen ein­ge­legte Be­schwerde hatte vor dem OLG Er­folg. Sie führte zur Auf­he­bung des Ur­teils des LG und zur Zurück­ver­wei­sung der Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das LG. Die Rechts­be­schwerde wurde zu­ge­las­sen.

Die Gründe:

Zu Un­recht ist das LG da­von aus­ge­gan­gen, dass es für die Be­stim­mung der Zu­sam­men­set­zung des Auf­sichts­rats al­lein auf die im Un­ter­neh­men prak­ti­zierte Übung zum Zeit­punkt der Ein­tra­gung der SE in das Han­dels­re­gis­ter und nicht auf die sich aus den da­mals tatsäch­li­chen Verhält­nis­sen er­ge­bende, recht­lich ge­bo­tene Mit­be­stim­mung an­kommt. Die Re­geln des Mit­be­stim­mungs- und des Drit­tel­be­tei­li­gungs­ge­set­zes fin­den zwar auf die An­trags­geg­ne­rin als SE keine An­wen­dung, denn die Un­ter­neh­mens­mit­be­stim­mung in den Or­ga­nen ei­ner SE ist gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 SEBG ab­schließend ge­re­gelt. Da­bei kommt gem. § 34 Abs. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 Nr. 2 SEBG man­gels Ver­ein­ba­rung und un­ter­blie­be­ner Be­schluss­fas­sung nach § 16 SEBG - wie hier - aber die ge­setz­li­che Auf­fan­gre­ge­lung nach § 35 Abs. 1 SEBG zur An­wen­dung. Nach § 35 Abs. 1 SEBG kommt es aber nicht auf den tatsäch­li­chen Ist-Zu­stand der Mit­be­stim­mung zum Zeit­punkt der Um­wand­lung an, son­dern auf den recht­li­chen Soll-Zu­stand.

§ 35 Abs. 1 SEBG be­stimmt, dass so­fern die Vor­aus­set­zun­gen des § 34 Abs. 1 Nr. 1 (Gründung ei­ner SE durch Um­wand­lung) - wie hier - vor­lie­gen, die Re­ge­lung zur Mit­be­stim­mung er­hal­ten bleibt, die in der Ge­sell­schaft vor der Um­wand­lung be­stan­den hat. Die Frage der Aus­le­gung ist in der Li­te­ra­tur um­strit­ten. Das OLG schließt sich der An­sicht an, wo­nach der recht­li­che Soll-Zu­stand für die Mit­be­stim­mung maßgeb­lich ist. Für die Auf­fas­sung spricht zunächst der Wort­laut, denn gem. § 35 Abs. 1 SEGB kommt es auf die Re­ge­lung an, die vor der Um­wand­lung be­stan­den hat. Die Ver­wen­dung des Wor­tes Re­ge­lung deu­tet dar­auf hin, dass es um den recht­li­chen Zu­stand geht. Zu­dem spre­chen ins­be­son­dere der Sinn und Zweck des § 35 Abs. 1 SEBG für das Ab­stel­len auf den recht­li­chen Soll-Zu­stand vor der Um­wand­lung in eine SE, denn nach § 1 Abs. 1 S. 2 SEBG und dem Erwägungs­grund in Nr. 18 der SE-Richt­li­nie 2001/86/EG sol­len die er­wor­be­nen Rechte der Ar­beit­neh­mer auf Be­tei­li­gung an Un­ter­neh­mens­ent­schei­dun­gen ge­si­chert wer­den. Der Ge­setz­ge­ber hat die Ar­beit­neh­mer im Falle ei­ner SE-Gründung als schutzwürdig an­ge­se­hen. Dar­un­ter fällt auch die Si­che­rung nicht ausgeübter Recht zum Zeit­punkt der Um­wand­lung.

Zu­dem spricht das Ge­bot der Willkürfrei­heit für eine Maßgeb­lich­keit der Rechts­lage, denn ein Ab­stel­len auf die prak­ti­zierte Mit­be­stim­mung zum Zeit­punkt der Um­wand­lung hätte zur Folge, dass die Ge­sell­schaft etwa durch die Ein­le­gung ei­nes un­begründe­ten Rechts­mit­tels einen rechts­wid­ri­gen Zu­stand fort­set­zen und da­durch mit in die SE neh­men könnte. Der ver­tre­te­nen Auf­fas­sung ste­hen schließlich auch keine eu­ro­pa­recht­li­chen Erwägun­gen ent­ge­gen.

Ob die An­trags­geg­ne­rin zum Zeit­punkt der Ein­tra­gung der SE in das Han­dels­re­gis­ter am 31.7.2017 die maßgeb­li­chen Schwel­len­werte in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Drit­telbG bzw. in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Mit­bestG über­schrit­ten hatte, ist vom LG noch zu prüfen. Dies hängt da­von ab, ob die C-GmbH mit ih­ren rd. 1380 Be­schäftig­ten der An­trags­geg­ne­rin bei der Be­stim­mung des maßgeb­li­chen Schwel­len­werts kon­zern­recht­lich zu­ge­rech­net wer­den kann.

Link­hin­weis:

Für den auf den 0:Web­sei­ten der Jus­tiz Hes­sen veröff­ent­lich­ten Voll­text der Ent­schei­dung kli­cken Sie bitte 8119460:hier.

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