deen

Rechtsberatung

Kein Ausscheiden aus Publikumsgesellschaft bei Zusammentreffen der Kündigung mit Auflösungsbeschluss während Kündigungsfrist

BGH 6.2.2018, II ZR 1/16

Wird eine Pu­bli­kums­ge­sell­schaft bürger­li­chen Rechts nach ei­ner Kündi­gung aber vor Ein­tritt der Kündi­gungs­wir­kung auf­gelöst, schei­det der kündi­gende Ge­sell­schaf­ter, so­fern dem Ge­sell­schafts­ver­trag nichts an­de­res ent­nom­men wer­den kann, nicht aus, son­dern ver­bleibt in der Li­qui­da­ti­ons­ge­sell­schaft.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin­nen be­tei­lig­ten sich im Ok­to­ber 1992 je­weils an der Be­klag­ten, ei­ner Pu­bli­kums­ge­sell­schaft bürger­li­chen Rechts. Nach § 8 Nr. 3 des Ge­sell­schafts­ver­trags (GV) der Be­klag­ten können die Ge­sell­schaf­ter je­der­zeit mit 2/3 al­ler ab­ge­ge­be­nen Stim­men die Li­qui­da­tion der Ge­sell­schaft be­schließen. Zu­dem enthält § 9 Nr. 4 GV die Re­ge­lung, dass je­der Ge­sell­schaf­ter seine Be­tei­li­gung an der Ge­sell­schaft mit ei­ner Frist von 6 Mo­na­ten zum Ende ei­nes Ka­len­der­jah­res, erst­mals zum 31.12.2013 or­dent­lich kündi­gen kann. § 9 Nr. 6 re­gelt dass durch die Kündi­gung, die Ge­sell­schaft nicht auf­gelöst, son­dern zwi­schen den übri­gen Ge­sell­schaf­tern fort­ge­setzt wird, wenn diese nicht bin­nen drei Mo­na­ten mir ei­ner Mehr­heit von 2/3 al­ler ab­ge­ge­be­nen Stim­men et­was an­de­res be­schließen. Der aus­schei­dende Ge­sell­schaf­ter erhält ein Ab­fin­dungs­gut­ha­ben.

Die Kläge­rin­nen erklärten mit Schrei­ben vom 19.2.2013 und vom 20.5.2013 die Kündi­gung ih­rer Ge­sell­schafts­be­tei­li­gun­gen zum 31.12.2013. Am 6.9.2013 be­schlos­sen die Ge­sell­schaf­ter in ei­ner Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung mit ei­ner Mehr­heit von 89% der An­we­sen­den gem. § 8 Nr. 3 des GV die Li­qui­da­tion der Ge­sell­schaft. Sie be­schlos­sen eine Aus­schüttung von 500.000 €. Zu­vor hatte die Fonds­ge­schäftsführung mit­ge­teilt, es sei eine freie Li­qui­da­tion von rd. 646.000 € vor­han­den. Mit­glie­der, die gekündigt hätten, müss­ten ge­son­dert an­ge­fun­den wer­den, da sie Mit­glie­der der Li­qui­da­ti­ons­ge­sell­schaft blie­ben.

Die Kläge­rin­nen er­ho­ben Klage auf die Zah­lung ih­rer Ab­fin­dun­gen. Das LG gab der Klage statt. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wies das OLG die Klage ab. Die da­ge­gen ein­ge­legte Re­vi­sion hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Die Kläge­rin­nen können keine Ab­fin­dun­gen be­an­spru­chen, da ihre Kündi­gun­gen zum 31.12.2013 nicht mehr wirk­sam wer­den konn­ten, da die Ge­sell­schaft be­reits am 6.9.2013 durch Ge­sell­schafts­be­schluss gem. § 8 Nr. 3 GV auf­gelöst wor­den ist.

Die Li­qui­da­tion der Be­klag­ten ist gem. § 8 Nr. 3 GV wirk­sam be­schlos­sen wor­den. Nach § 8 Nr. 3 GV können die Ge­sell­schaf­ter je­der­zeit mit 2/3 al­ler ab­ge­ge­be­nen Stim­men die Li­qui­da­tion der Ge­sell­schaft be­schließen. Die er­for­der­li­che Mehr­heit ist bei der Ab­stim­mung am 6.9.2013 er­reicht wor­den. Der for­ma­len Wirk­sam­keit des Li­qui­da­ti­ons­be­schlus­ses steht auch nicht die Re­ge­lung des § 9 Nr. 6 GV ent­ge­gen, nach der die Ge­sell­schaf­ter in­ner­halb von 3 Mo­na­ten nach ei­ner Kündi­gung die Auflösung be­schließen müssen. Der Ab­lauf der Drei­mo­nats­frist hin­dert die Fas­sung ei­nes Li­qui­da­ti­ons­be­schlus­ses nach § 8 Nr. 3 GV nicht. § 9 Nr. 6 GV stellt keine spe­zi­el­lere Reg­lung dar, die vor­ran­gig an­zu­wen­den ist. Die Re­ge­lung schließt die An­wen­dung nicht aus und engt sie auch nicht ein. Bei­den Be­stim­mun­gen un­ter­schei­den sich durch den Kreis de­rer, die an der Ab­stim­mung teil­neh­men können.

Der am 6.9.2013 wirk­sam ge­fasste Auflösungs­be­schluss hat be­wirkt, dass die Kündi­gun­gen der Kläge­rin­nen nicht mehr zu de­ren Aus­schei­den aus der nun­mehr in Li­qui­da­tion be­find­li­chen Ge­sell­schaft geführt ha­ben. Die Aus­schei­dens­wir­kung der Kündi­gung ver­liert i.d.R. ih­ren Gel­tungs­grund durch die mit einem Auflösungs­be­schluss ein­tre­tende Ände­rung des Ge­sell­schafts­zwecks, wel­cher an­stelle auf eine Fortführung der Un­ter­neh­mung nun auf die Li­qui­da­tion der Ge­sell­schaft und die an­teils­gemäße Be­tei­li­gung der Ge­sell­schaf­ter am Li­qui­da­ti­ons­erlös ge­rich­tet ist.

Ein Aus­tritt im Ab­wick­lungs­sta­dium der Ge­sell­schaft ist we­der ge­setz­lich vor­ge­se­hen noch ist er ge­eig­net, für den aus­schei­den­den Ge­sell­schaf­ter an­dere Rechts­fol­gen aus­zulösen, als die bei ei­ner Auflösung ei­ner Ge­sell­schaft oh­ne­hin ein­tre­ten. Dies gilt auch grundsätz­lich für den hier vor­lie­gen­den Fall des Zu­sam­men­tref­fens ei­ner Aus­schei­denskündi­gung mit einem während der Kündi­gungs­frist ge­fass­ten und wirk­sam ge­wor­de­nen Auflösungs­be­schluss. Der Li­qui­da­ti­ons­zweck und die in § 738 Abs. 1 S. 2 BGB ge­re­gelte An­bin­dung des Ab­fin­dungs­an­spruchs schließen je­den­falls bei ei­ner Pu­bli­kums­ge­sell­schaft das Aus­schei­den eine kündi­gen­den Ge­sell­schaf­ters und seine ge­son­derte Ab­fin­dung grundsätz­lich aus, so­fern dem Ge­sell­schaf­ter­ver­trag nichts an­de­res ent­nom­men wer­den kann.

Link­hin­weis:
Für den auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­lich­ten Voll­text der Ent­schei­dung kli­cken Sie bitte hier.

nach oben