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Zuschüsse der EU zur Anschaffung von Investitionsgütern in der Landwirtschaft

BFH v. 22.1.2019 - XI R 26/19

Wenn eine Er­zeu­ger­or­ga­ni­sa­tion i.S.v. Art. 11 der VO Nr. 2200/96/EG bei Vor­lie­fe­ran­ten Ge­genstände kauft, diese Ge­genstände an ihr an­ge­schlos­sene Mit­glie­der wei­ter­lie­fert und von die­sen eine nicht den Ein­kaufs­preis de­ckende Zah­lung erhält, ist der Be­trag, den ein Be­triebs­fonds i.S.d. Art. 15 der VO Nr. 2200/96/EG an die Er­zeu­ger­or­ga­ni­sa­tion für die Lie­fe­rung die­ser Ge­genstände an die Er­zeu­ger zahlt, Teil der Ge­gen­leis­tung für die Lie­fe­rung an die Er­zeu­ger und da­her als Ent­gelt von drit­ter Seite an­zu­se­hen (Nach­fol­ge­ent­schei­dung zum EuGH-Ur­teil vom 9.10.2019 - C-573/18 und C-574/18).

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin, eine ein­ge­tra­gene Ge­nos­sen­schaft (eG), war in den Streit­jah­ren 2002 und 2003 als Großhänd­le­rin für Obst, Gemüse und Kar­tof­feln tätig, in­dem sie die von ih­ren Mit­glie­dern pro­du­zier­ten und an sie ge­lie­fer­ten Pro­dukte ver­mark­tete. Sie war außer­dem eine an­er­kannte Er­zeu­ger­or­ga­ni­sa­tion i.S.d. Ver­ord­nung (EG) Nr. 2200/96 des Ra­tes vom 28.10.1996 über die ge­mein­same Markt­or­ga­ni­sa­tion für Obst und Gemüse.

Nach Art. 15 der VO Nr. 2200/96 können der­ar­tige Er­zeu­ger­or­ga­ni­sa­tio­nen einen sog. Be­triebs­fonds ein­rich­ten. Die­ser Fonds ist ein Zweck­vermögen des pri­va­ten Rechts i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, das sich je zur Hälfte aus Beiträgen der in der Er­zeu­ger­or­ga­ni­sa­tion zu­sam­men­ge­schlos­se­nen Er­zeu­ger und der fi­nan­zi­el­len Bei­hilfe i.S.d. Art. 15 Abs. 1 der VO Nr. 2200/96 (fi­nan­zi­elle Bei­hilfe) fi­nan­ziert. Mit den Mit­teln des Be­triebs­fonds können sog. ope­ra­tio­nelle Pro­gramme, die den zuständi­gen in­ner­staat­li­chen Behörden vor­ge­legt und von die­sen ge­neh­migt wer­den müssen, aus­geführt wer­den. In­halt von ope­ra­tio­nel­len Pro­gram­men können u.a. In­ves­ti­tio­nen in Ein­zel­be­trie­ben von Mit­glie­dern der Er­zeu­ger­or­ga­ni­sa­tion sein. Die Beiträge der Er­zeu­ger wur­den in den Streit­jah­ren in der Weise er­bracht, dass alle Mit­glie­der der Steu­er­pflich­ti­gen 3 % ih­rer Um­sat­zerlöse in den Be­triebs­fonds ein­zahl­ten. Die­sen Be­trag be­hielt die Kläge­rin bei je­der An­lie­fe­rung ein.

Die Kläge­rin machte in ih­ren Um­satz­steu­er­erklärun­gen für die Streit­jahre aus den Lie­fe­run­gen der Vor­lie­fe­ran­ten den vollen Vor­steu­er­ab­zug gel­tend. Die vom Be­triebs­fonds ge­zahl­ten Beträge sah sie nicht als Ent­gelt für Lie­fe­run­gen an die Er­zeu­ger an. Das Fi­nanz­amt ver­trat die An­sicht, die Kläge­rin habe den je­wei­li­gen Er­zeu­gern von vorn­her­ein die Verfügungs­macht an dem ge­sam­ten Ver­trags­ge­gen­stand (und nicht nur hin­sicht­lich des hälf­ti­gen An­teils) ver­schafft und da­mit eine Lie­fe­rung aus­geführt; denn die Lie­fe­rung und In­be­trieb­nahme des Ver­trags­ge­gen­stands er­folge un­mit­tel­bar an bzw. durch den Er­zeu­ger. Es han­dele sich zwar bei den fi­nan­zi­el­len Bei­hil­fen an den Be­triebs­fonds um einen nicht steu­er­ba­ren Zu­schuss. Auf die Aus­gangs­umsätze der Kläge­rin an die je­wei­li­gen Er­zeu­ger sei je­doch die Min­dest­be­mes­sungs­grund­lage des § 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 UStG an­zu­wen­den. Ein­kaufs­preis der Kläge­rin seien die an die Vor­lie­fe­ran­ten ge­zahl­ten (Netto-)Beträge.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Die Re­vi­sion der Kläge­rin hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht ent­schie­den, dass der Be­trag, den der Be­triebs­fonds an die Kläge­rin für die Lie­fe­rung der Ge­genstände an die Er­zeu­ger ge­zahlt hat, zur Ge­gen­leis­tung für diese Lie­fe­rung zählt.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG gehören zum Ent­gelt für die Lie­fe­run­gen nicht nur die den Er­zeu­gern in Rech­nung ge­stell­ten Beträge, son­dern auch die Zah­lun­gen aus dem Be­triebs­fonds. Bei die­sen Zah­lun­gen han­delte es sich um Zah­lun­gen ei­nes Drit­ten und nicht um die Um­schich­tung ei­ge­ner Fi­nanz­mit­tel, da der Be­triebs­fonds nach na­tio­na­lem Recht (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, § 2 UStG) als Zweck­vermögen körper­schaft­steu­er­pflich­tig ist und auch um­satz­steu­er­recht­lich rechtsfähig sein kann. Es han­delt sich um ein zweck­ge­bun­de­nes Vermögen, über das die Kläge­rin nicht frei verfügen konnte, son­dern das nur zu den in Art. 15 Abs. 2 der VO Nr. 2200/96, Art. 3 der VO Nr. 609/2001, Art. 5 der VO Nr. 1433/2003 ge­nann­ten Zwecken ein­ge­setzt wer­den durfte. Dass die Zah­lun­gen der EU an den Be­triebs­fonds der Förde­rung der All­ge­mein­heit die­nen, ändert an der un­mit­tel­ba­ren Verknüpfung der Zah­lung aus dem Be­triebs­fonds nichts.

Uni­ons­recht­li­che Zwei­fel an die­ser Be­ur­tei­lung be­ste­hen nach dem EuGH-Ur­teil v. 9.10.2019 (C 573/18 und C 574/18) nicht. Der EuGH hat an­ge­nom­men, dass die Zah­lun­gen aus den Be­triebs­fonds an die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Rede ste­hen­den Er­zeu­ger­or­ga­ni­sa­tio­nen für die Lie­fe­rung von In­ves­ti­ti­onsgütern ge­leis­tet wur­den und den be­trof­fe­nen Er­zeu­gern zu­gute ka­men. Es be­stehe ein un­mit­tel­ba­rer Zu­sam­men­hang zwi­schen der Lie­fe­rung die­ser Ge­genstände und der tatsäch­lich er­hal­te­nen Ge­gen­leis­tung. Die Zah­lun­gen aus den Be­triebs­fonds seien "Sub­ven­tio­nen" von "einem Drit­ten" i.S. von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richt­li­nie 77/388/EWG, denn die Be­triebs­fonds seien rechtsfähig und die be­tref­fende Er­zeu­ger­or­ga­ni­sa­tion dürfe das Vermögen die­ser Fonds nicht zu persönli­chen Zwecken nut­zen. Diese Aus­le­gung gewähr­leiste außer­dem die Wah­rung der steu­er­li­chen Neu­tra­lität.

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