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Steuerberatung

Zweifel an Umsatzsteuerbefreiung für medizinische Telefonberatung

BFH v. 18.9.2018 - XI R 19/15

Der EuGH soll klären, ob eine steu­er­be­freite Tätig­keit vor­liegt, wenn ein Steu­er­pflich­ti­ger (Un­ter­neh­mer) im Auf­trag von Kran­ken­kas­sen Ver­si­cherte zu ver­schie­de­nen Ge­sund­heits- und Krank­heits­the­men te­le­fo­ni­sch berät. Außer­dem ist die Frage zu be­ant­wor­ten, ob es für den er­for­der­li­chen be­ruf­li­chen Befähi­gungs­nach­weis aus­reicht, dass die te­le­fo­ni­schen Be­ra­tun­gen von "Ge­sund­heits­coa­ches" durch­geführt wer­den und (nur) in ca. einem Drit­tel der Fälle ein Arzt hin­zu­ge­zo­gen wird.

Der Sach­ver­halt:

Die Kläge­rin ist eine GmbH und be­trieb im Fe­bruar 2014 (Streit­zeit­raum) im Auf­trag ge­setz­li­cher Kran­ken­kas­sen ein sog. Ge­sund­heits­te­le­fon zur Be­ra­tung von Ver­si­cher­ten in me­di­zi­ni­scher Hin­sicht. Sie führte zu­dem Pa­ti­en­ten­be­gleit­pro­gramme durch, bei de­nen be­stimmte Ver­si­cherte auf der Ba­sis von Ab­rech­nungs­da­ten und Krank­heits­bil­dern über eine me­di­zi­ni­sche Hot­line si­tua­ti­ons­be­zo­gene In­for­ma­tio­nen zu ih­rem Kran­ken­bild er­hiel­ten.

Die te­le­fo­ni­schen Be­ra­tungs­leis­tun­gen wur­den durch Kran­ken­schwes­tern und me­di­zi­ni­sche Fach­an­ge­stellte er­bracht, die größten­teils auch als sog. "Ge­sund­heits­coach" aus­ge­bil­det wa­ren. In etwa einem Drit­tel der Fälle wurde ein Arzt hin­zu­ge­zo­gen, der die Be­ra­tung über­nahm bzw. bei Rück­fra­gen An­wei­sun­gen oder eine Zweit­mei­nung er­teilte.

Die Kläge­rin stufte ihre Umsätze aus dem Be­trieb des Ge­sund­heits­te­le­fons und der Pa­ti­en­ten­be­gleit­pro­gramme als Heil­be­hand­lun­gen im Be­reich der Hu­man­me­di­zin ein und mel­dete für den Streit­zeit­raum in­so­weit steu­er­freie Umsätze an. Das Fi­nanz­amt be­ur­teilte die be­tref­fen­den Umsätze hin­ge­gen als steu­er­pflich­tig und setzte die Um­satz­steu­er­vor­aus­zah­lung für Fe­bruar 2014 ab­wei­chend von der Vor­an­mel­dung fest.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hat der BFH erklärt, dass er daran zwei­fele, ob te­le­fo­ni­sche Be­ra­tungs­leis­tun­gen, die eine GmbH im Auf­trag von ge­setz­li­chen Kran­ken­kas­sen durch "Ge­sund­heits­coa­ches" ausführt, als Heil­be­hand­lun­gen gel­ten können und den EuGH um Klärung ge­be­ten.

Gründe:

Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richt­li­nie 2006/112/EG des Ra­tes vom 28.11.2006 über das ge­mein­same Mehr­wert­steu­er­sys­tem (Richt­li­nie 2006/112/EG) sind Heil­be­hand­lun­gen im Be­reich der Hu­man­me­di­zin, die im Rah­men der Ausübung der von dem be­tref­fen­den Mit­glied­staat de­fi­nier­ten ärzt­li­chen und arztähn­li­chen Be­rufe durch­geführt wer­den, steu­er­frei. Dem ent­spricht § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG, der ent­spre­chend der Richt­li­nie aus­zu­le­gen ist.

Der Se­nat ver­tritt die Auf­fas­sung, dass die im Rah­men des Ge­sund­heits­te­le­fons er­brach­ten Leis­tun­gen bei en­gem Verständ­nis der Be­frei­ungs­vor­schrif­ten nicht in de­ren An­wen­dungs­be­reich fal­len: Es steht we­der fest, ob sich an die Be­ra­tung eine ärzt­li­che Heil­be­hand­lung an­schließt noch ob sie als Erst­be­ra­tung Be­stand­teil ei­ner kom­ple­xen Heil­be­hand­lung wer­den; außer­dem er­folgt die In­for­ma­tion der An­ru­fen­den im Ge­gen­satz zu den Pa­ti­en­ten­be­gleit­pro­gram­men nicht auf der Grund­lage vor­he­ri­ger me­di­zi­ni­scher Fest­stel­lun­gen oder An­ord­nun­gen. Fer­ner ist es frag­lich, ob die für herkömm­li­che Heil­be­hand­lun­gen von dem be­tref­fen­den Mit­glied­staat de­fi­nier­ten Qua­li­fi­ka­ti­ons­merk­male ei­nes ärzt­li­chen und arztähn­li­chen Be­rufs (Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richt­li­nie 2006/112/EG) auch für sol­che Heil­be­hand­lun­gen gel­ten, die ohne persönli­chen Kon­takt er­bracht wer­den, oder ob es - etwa für Leis­tun­gen im Be­reich der Te­le­me­di­zin - zusätz­li­cher An­for­de­run­gen be­darf.

Mit dem Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen soll da­mit vom EuGH geklärt wer­den, ob eine steu­er­be­freite Tätig­keit vor­liegt, wenn ein Steu­er­pflich­ti­ger (Un­ter­neh­mer) im Auf­trag von Kran­ken­kas­sen Ver­si­cherte zu ver­schie­de­nen Ge­sund­heits- und Krank­heits­the­men te­le­fo­ni­sch berät. Außer­dem ist die Frage zu be­ant­wor­ten, ob es für den er­for­der­li­chen be­ruf­li­chen Befähi­gungs­nach­weis aus­reicht, dass die te­le­fo­ni­schen Be­ra­tun­gen von "Ge­sund­heits­coa­ches" (me­di­zi­ni­schen Fach­an­ge­stell­ten, Kran­ken­schwes­tern) durch­geführt wer­den und (nur) in ca. einem Drit­tel der Fälle ein Arzt hin­zu­ge­zo­gen wird.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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