Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Dezember 2008 zu einem Kurswert von 109.450.725 € Anteile eines Rentenfonds erworben. Im Kurswert war ein sog. negativer Zwischengewinn i.H.v. 38.973.652,57 € enthalten. Noch im gleichen Monat erwarb der Kläger weitere Anteile des Rentenfonds zum Kurswert von 601.253,40 € mit einem darin enthaltenen negativen Zwischengewinn von 213.834,17 €. Der Rentenfonds war im Oktober 2008 als offener Publikumsfonds in Gestalt eines gemischten Sondervermögens i.S.v. §§ 83 ff. des Investmentgesetzes auf unbestimmte Dauer aufgelegt worden. Sein Geschäftsjahr lief vom 1.10. bis zum 30.9. des Folgejahres. Er war zunächst als ausschüttender Fonds und ab dem 30.12.2008 als thesaurierender Fonds geführt worden und führte ein sog. Ertragsausgleichsverfahren durch.
Der Herausgeber hatte für den Rentenfonds einen sog. Vereinfachten Verkaufsprospekt sowie einen sog. Ausführlichen Verkaufsprospekt einschließlich Vertragsbedingungen erstellt. Nach den Feststellungen des FG wurde darin als typischer Anleger des Rentenfonds ein Anleger genannt, der bereits gewisse Erfahrungen mit Finanzmärkten gewonnen hat und der für einen Anlagehorizont von mindestens fünf Jahren plant. Als Anlageziel war ein möglichst hoher Wertzuwachs angegeben. Es sollte ein sog. "Alpha-Return" im Vergleich zu gängigen Rentenindices u.a. durch Ausnutzung einer sog. "Zero Bond Arbitrage" erzielt werden.
In Bezug auf die Einführung der sog. Abgeltungsteuer wurde in den steuerlichen Hinweisen abstrakt die Rechtslage vor und nach dem 31.12.2008 skizziert und dargelegt, dass die vom Rentenfonds ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträge und der Zwischengewinn sowie der Gewinn aus dem An- und Verkauf von Fondsanteilen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zählen, die grundsätzlich einem Steuerabzug von 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) mit Abgeltungswirkung unterliegen. Ferner wurde erläutert, dass für Privatanleger Gewinne aus einer Veräußerung der Investmentanteile außerhalb der einjährigen Spekulationsfrist steuerfrei seien.
Am 30.12.2009 gab der Kläger sämtliche Fondsanteile zurück und erhielt hierfür insgesamt 105.790.355,70 €. Hierfür hat die Fondsgesellschaft für den Kläger Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag abgeführt. Dem Kläger waren aus den Fondsanteilen über die Haltezeit in 2008 und 2009 insgesamt steuerbare negative und positive Erträge zuzurechnen, die saldiert zu einem Überschuss von rund 2,3 Mio. € führten. Der Kläger erklärte in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2008 in der Anlage KAP Erträge i.H.v. 34.496 € und negative Einkünfte aus Investmentanteilen (Zwischengewinne) i.H.v. rund ./. 39.187.487 € (Saldo: ./. 39.152.991 €).
Allerdings wurden die Zwischengewinne nicht als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen berücksichtigt, da sie in Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell stünden und insoweit nur eine Verrechnung mit den im Folgejahr 2009 aus der Beteiligung erzielten Einkünften in Betracht komme. Später erließ das Finanzamt den streitgegenständlichen "Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum Schluss des Veranlagungszeitraums 2008", in dem die im Kalenderjahr 2008 angefallenen Zwischengewinne i.H.v. insgesamt 39.187.487 € als verbleibender Verlustvortrag nach § 15b Abs. 4 EStG für die Einkünfte aus Kapitalvermögen festgestellt waren. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Gründe:
Entgegen der Auffassung des FG liegt bereits deshalb kein Steuerstundungsmodell gem. § 15b Abs. 1, § 20 Abs. 2b Satz 1 EStG (jetzt: § 20 Abs. 7 Satz 1 EStG n.F.) vor, weil die negativen Zwischengewinne im Streitfall keine Aufwendungen zur Erzielung unangemessener steuerlicher Vorteile in Form negativer Einkünfte und daher keinen Verlust i.S.d. § 15b Abs. 1 EStG darstellen.
Negative Zwischengewinne fallen grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich der §§ 15b, 20 Abs. 2b Satz 1 EStG. Zwar können auch negative Einnahmen aufgrund von Zwischengewinnen zu negativen Einkünften führen. Sie stellen jedoch regelmäßig keine Aufwendungen zur Erzielung unangemessener steuerlicher Verluste in Form von negativen Kapitaleinkünften dar. Denn der Zwischengewinn des Veräußerers des Investmentanteils ist nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 4 InvStG das Entgelt für die ihm noch nicht zugeflossenen oder als zugeflossen geltenden Zinserträge, zinsähnlichen Erträge und Ansprüche des Investmentvermögens.
Gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz InvStG gehört der Zwischengewinn zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn es sich nicht um Betriebseinnahmen des Anlegers, Leistungen nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG oder Leistungen i.S. des § 22 Nr. 5 EStG handelt. Diese Regelung gilt für sämtliche Anleger von Investmentfonds und damit auch für Privatanleger. Mit dem Zwischengewinn werden die Zinserträge und Zinssurrogate, die bereits während des Geschäftsjahres des Investmentvermögens "erzielt" werden, im Falle der unterjährigen Rückgabe oder Veräußerung des Investmentanteils der Besteuerung unterworfen.
Erzielt der Erwerber eines Investmentfonds negative Einnahmen aufgrund von Zwischengewinnen, so ist dies der zutreffenden wirtschaftlichen Zuordnung des Zinsanspruchs geschuldet. Ein entsprechender Verlust und ein sich in der weiteren Folge ergebender Steuerstundungseffekt sind Folge des getätigten Rechtsgeschäftes, nicht hingegen einer modellhaften Gestaltung. Die Zahlung von Zwischengewinnen führt daher regelmäßig nicht zu einem wirtschaftlich unangemessenen Steuervorteil des Anteilserwerbers i.S.d. § 15b EStG. Dies gilt auch dann, wenn der Zwischengewinn 10 % des Kaufpreises übersteigt. Denn auch in diesem Fall soll durch die steuerliche Berücksichtigung des negativen Zwischengewinns eine Überbesteuerung des Anlegers vermieden werden.
Im vorliegenden Fall waren die erzielten Zwischengewinne keine Verluste i.S.d. § 15b EStG. Eine Einschränkung der Verlustverrechnung folgte auch nicht aus § 20 Abs. 2b Satz 2 EStG. Danach liegt ein vorgefertigtes Konzept i.S.d. § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG auch vor, wenn die positiven Einkünfte nicht der tariflichen Einkommensteuer unterliegen. Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung des § 20 Abs. 2b Satz 2 EStG Modelle erfassen, die das Steuersatzgefälle zwischen der tariflichen Einkommensteuer gemäß § 32a EStG und dem gesonderten Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d EStG dadurch ausnutzen, dass die negativen Einkünfte der tariflichen Einkommensteuer und die positiven Einkünfte der Abgeltungsteuer unterliegen. Diese Zielsetzung kommt in dem Wortlaut des § 20 Abs. 2b Satz 2 EStG jedoch nicht zum Ausdruck. Die Norm kann nicht dahin verstanden werden, dass ein vorgefertigtes Konzept i.S.d. § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG stets dann vorliegt, wenn sich ein Verlust im Rahmen der Anwendung des progressiven Steuersatzes auswirkt, während ein Gewinn lediglich dem Abgeltungsteuersatz unterliegt.
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