Ende Juni 2019 hat das Bundessozialgericht (BSG) nunmehr seine Urteilsgründe zu dem sogenannten Zytostatika-Urteil vom 9.4.2019 (Az. B 1 KR 5/19 R), in dem es um die Rückerstattung der Mehrwertsteuer in Bezug auf die Herstellerpauschale ging, veröffentlicht. Wie bereits in der Urteilsverkündung ausgeführt, geht das BSG davon aus, dass aufgrund der Auslegung der Arzneimittelpreisvereinbarung (im Folgenden: AMPV) den gesetzlichen Krankenkassen (im Folgenden: GKV) ein vertraglicher Rückerstattungsanspruch auf Rückzahlung der überzahlten 19 % Umsatzsteuer zusteht.
Sollten die Krankenhäuser nach Veröffentlichung des BMF-Schreibens am 20.10.2016 keinen Einspruch gegen offene Umsatzsteuerbescheide eingelegt haben, steht den GKV gegebenenfalls auch ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung der überzahlten 19 % Umsatzsteuer zu.
Nach Ansicht des BSG sind der vertragliche Rückzahlungsanspruch und der Schadensersatzanspruch spätestens am 20.10.2016 entstanden. Beide Ansprüche verjähren gemäß dem BSG-Urteil innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist nach § 45 SGB I. Die Anwendung der (rückwirkenden) zweijährigen Verjährungsfrist gemäß § 109 Abs. 5 SGB V hat das BSG abgelehnt. Das Urteil des BSG weicht damit von der bisherigen unterinstanzlichen Rechtsprechung zum Verjährungsbeginn ab und führt dazu, dass der vertragliche Rückzahlungsanspruch und der Schadensersatzanspruch erst am 31.12.2020 verjähren werden. Zu der Frage, ob die im § 325 SGB V vorgesehene Ausschlussfrist zum 9.11.2018 auch in den Zytostatikaverfahren greift, hat das BSG keine Stellung genommen.
Eine Besonderheit dieses Verfahrens ist, dass das BSG keine Anrechnung der Vorsteuer auf die Umsatzsteuer beim Rückerstattungsanspruch der GKV zugelassen hat. Dies ist jedoch einer speziellen Klausel in der AMPV geschuldet. Gemäß dieser ist vorgesehen, dass für den Fall der Umsatzsteuerfreiheit der Zytostatikazubereitungen wegen der fehlenden Möglichkeit des Vorsteuerabzugs die Mehrwertsteuer fiktiv auf den errechneten Arzneimittelpreis hinzugefügt wird. Von dieser fiktiven Hinzurechnung der Mehrwertsteuer wurde jedoch die Herstellerpauschale ausgenommen und genau dieser Mehrwertsteuerbetrag wurde eingeklagt. Wie das BSG bezüglich der Anrechnung der Vorsteuer in den Fällen, in denen es nicht nur um die Herstellerpauschale geht, entscheidet, ist bisher ungeklärt. Es würde jedoch überraschen, wenn das BSG anders als der BGH, der die Anrechnung der Vorsteuer durch Vertragsauslegung angenommen hat, entscheiden würde.
Ferner können nach Ansicht des BSG die finanziellen Belastungen der Krankenhäuser bei der Rückabwicklung gegenüber den GKV nicht aufgerechnet werden.
Fazit und Empfehlung
Im Ergebnis ist das Urteil des BSG für Krankenhäuser sehr unerfreulich und zum Teil auch überraschend, da das BSG entgegen der bisherigen Rechtsprechung der unterinstanzlichen Sozialgerichte den Verjährungsbeginn des Rückerstattungsanspruchs auf den 1.1.2017 datiert und zudem – obwohl dies nicht Gegenstand des Verfahrens war – sich ablehnend zur verkürzten Verjährungsfrist gemäß § 109 Abs. 5 SGB V geäußert hat.
Krankenhäuser die bereits Vergleiche mit den GKV geschlossen haben, dürften hierüber erleichtert sein. Die Krankenhäuser, die bisher noch keine Vergleiche geschlossen haben, sollten überprüfen, ob die ihnen von den GKV vorgelegten Vergleiche für sie günstig sind. Ein Argument, das man gegenüber den GKV in Vergleichsverhandlungen gegebenenfalls noch anführen kann, ist die Nichteinhaltung der Ausschlussvorschrift zum 9.11.2018 gemäß § 325 SGB V.
Autorin: Daria Madejska