
Einblicke in eine erfolgreiche grenzüberschreitende Unternehmensübernahme
In der heutigen globalisierten Welt sind grenzüberschreitende Unternehmenskäufe ein Schlüssel für eine erfolgreiche Wachstumsstrategie. Die börsennotierte deutsche CENIT AG hat bspw. im vergangenen Jahr 60 % der Anteile an der US-amerikanischen Analysis Prime LLC erworben und damit ihre Präsenz in Nordamerika ausgebaut. Über die besonderen Herausforderungen, aber auch die mit dem strategischen Erwerb verbundenen Erfolgsfaktoren sprechen wir mit Peter Schneck, CEO der CENIT Gruppe, sowie Dr. Ronald Kagan, Rechtsanwalt und Partner bei RSM Ebner Stolz, und Diplom-Ökonom Endre Lazar, MBA, ebenfalls Partner bei RSM Ebner Stolz, die diesen komplexen, cross-border Deal maßgeblich beratend begleitet haben.

Herr Schneck, welche strategischen Überlegungen standen hinter dem Erwerb der Mehrheitsbeteiligung an Analysis Prime LLC durch die CENIT Gruppe?
CENIT ist bereits seit vielen Jahren in den USA vertreten und betreut dort internationale Großkunden sowie nationale Großkonzerne. Das Projektvolumen ist in den vergangenen Jahren erheblich gewachsen und amerikanische Konzerne erwarten zunehmend eine nationale Präsenz. Mit bislang nur zwölf Mitarbeitenden in Detroit konnten wir diesen Anforderungen nicht ausreichend gerecht werden. Daher haben wir uns bewusst für diese Transaktion entschieden, um ein deutliches Signal für unser Engagement auf dem nordamerikanischen Markt zu setzen. Zudem hat der amerikanische Markt eine sehr positive Entwicklung genommen, die uns weitere Projekte im Markt eröffnet und somit weiteres Wachstum sicherstellt.
Herr Schneck, der Kauf eines Unternehmens ist ein komplexes Projekt - umso mehr, wenn Anteile an einem ausländischen Unternehmen erworben werden sollen. Es gilt betriebswirtschaftliche, rechtliche und steuerliche Vorstellungen von Käufer und Verkäufer zweier unterschiedlicher Jurisdiktionen unter einen Hut zu bringen. Was hat Sie dazu bewogen, RSM Ebner Stolz als Berater hinzuzuziehen?
Drei zentrale Kriterien bei der Auswahl unseres Partners waren für uns besonders entscheidend: die integrierte betriebswirtschaftliche und rechtliche Beratung aus einer Hand, ein starkes internationales Partnernetzwerk sowie die lokale Nähe für einen intensiven und persönlichen Austausch.
Herr Dr. Kagan, können Sie uns einen Einblick geben, wie eine derart komplexe Transaktion vonseiten der Berater organisiert wird? Welche Rolle spielt dabei das internationale (best friend) Netzwerk von RSM Ebner Stolz?
Wichtig ist zunächst, dass wir als deutsche Anwälte nur zum deutschen Recht beraten dürfen. Bei grenzüberschreitenden Projekten ist es daher notwendig, für jede betroffene Rechtsordnung mit lokalen Kollegen zusammenzuarbeiten. Mehr Beteiligte bergen immer das Risiko von Schnittstellenverlusten. Das gilt es zu vermeiden. Wir übernehmen also - neben den üblichen Arbeiten, die auch bei einer rein nationalen Transaktion anfallen würden - die Koordination zwischen den Beteiligten, vermitteln unseren lokalen Kollegen einerseits, was für unsere Mandanten wie die CENIT AG wichtig ist und ordnen andererseits ein, wie unsere Mandanten auf die Wünsche der lokalen Kollegen reagieren sollen. Das geht nur mit enger Abstimmung und einem „kurzen Draht“ zu lokalen Kollegen, die wir gut kennen und die einen vergleichbaren Ansatz in der Beratung verfolgen. Mit RSM International und unserem best friends Anwalts-Netzwerk können wir das anbieten.
Herr Lazar, bei einem Unternehmenskauf spielen Daten eine ganz besonders wichtige Rolle. Hieraus können Chancen und Risiken abgeleitet und letztlich der Unternehmenswert ermittelt werden. Wie aber wird bei einer Transaktion sichergestellt, dass alle notwendigen Informationen vorliegen und an die richtige Stelle gelangen? Neben der Koordination der verschiedenen Workstreams (Legal, Tax und Finance Due Diligence) musste ja auch die grenzüberschreitende Koordination gewährleistet werden.
Die Aufgabe besteht darin, einen strukturierten Prozess zu etablieren, der alle relevanten Stakeholder - auch über Ländergrenzen hinweg - miteinander verzahnt. Wir arbeiten hier mit spezifisch abgestimmten Anforderungslisten, um gezielt alle relevanten Daten vom Zielunternehmen anzufordern. Diese werden in einem zentralen virtuellen Datenraum nach Themenbereich geordnet gesammelt. Auf diesen Datenraum haben alle beteiligten Workstreams Zugriff. So stellen wir sicher, dass alle Analysen auf einer vollständigen und einheitlichen Datengrundlage basieren. Als zentraler Ansprechpartner für unsere Mandaten wie die CENIT AG übernehmen wir nicht nur die Steuerung der verschiedenen Workstreams, sondern konsolidieren zudem die Ergebnisse der einzelnen internationalen Teams in regelmäßigen Abstimmungen, um so zu gewährleisten, dass wir ein umfassendes Gesamtbild in kompakter und zielgerichteter Form zeichnen können. Projekte wie dieses zeigen, dass wir nicht nur auf Basis detaillierter technischer Analysen, sondern auch durch effiziente Koordination und enge Zusammenarbeit mit unseren Mandanten eine solide Grundlage für erfolgreiche Unternehmenskäufe schaffen.
Herr Lazar, die Financial Due Diligence, d. h. die Analyse der finanziellen Lage des Zielunternehmens, ist wesentliche Grundlage der Kaufpreisermittlung. Sehen Sie Besonderheiten oder spezielle Herausforderungen, die bei dieser US-amerikanischen grenzüberschreitenden Due Diligence aufgetreten sind?
Der Leistungsumfang der Financial Due Diligence unterscheidet sich nicht wesentlich von dem eines europäischen Zielunternehmens. Ein Schwerpunkt und gleichzeitig eine Herausforderung liegt jedoch im Abgleich der unterschiedlichen Rechnungslegungsstandards - US-GAAP auf Seiten des Zielunternehmens und IFRS auf Seiten des Käufers. Während US-GAAP einen regelbasierten Ansatz verfolgt, sind IFRS prinzipienorientiert, was zu abweichenden Analyse- und Bewertungskriterien führen kann. Zudem unterscheiden sich die Gliederung und der Ausweis der Vermögens- und Ertragslage nach US-GAAP. Dies kann zu einer unterschiedlichen Struktur der Finanzkennzahlen führen. Im Rahmen der Financial Due Diligence ist daher eine vertiefte Analyse erforderlich, um Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, ggf. durch eine Überleitungsrechnung.
Welche wesentlichen Erkenntnisse konnten Sie aus den Due Diligence Berichten in den Bereichen Legal, Tax und Finance gewinnen, Herr Schneck? Und ergaben sich daraus konkrete Handlungsschritte?
Im Zuge der Due Diligence haben wir eine fundierte und differenzierte Einschätzung der mit der Transaktion verbundenen Risiken gewonnen. Diese Erkenntnisse haben wir systematisch in unsere Kaufpreisermittlung einfließen lassen und entsprechend berücksichtigt. Zusätzlich haben wir durch den Abschluss einer sog. Earn-Out-Vereinbarung eine risikoadjustierte Struktur geschaffen, die potenzielle Unsicherheiten absichert und gleichzeitig Anreize für eine positive Geschäftsentwicklung setzt. Auf dieser Basis konnten wir letztlich einen für beide Seiten sehr attraktiven und ausgewogenen Kaufpreis realisieren.
Nach Abschluss der Due Diligence folgen die Kaufvertragsverhandlungen. Herr Dr. Kagan, welche rechtlichen Besonderheiten ergeben sich bei der Kaufvertragsgestaltung bei einem US-amerikanischen Zielunternehmen?
Es ist üblich, dass bei einem US-Zielunternehmen der Kaufvertrag US-Recht untersteht und damit auch den US-Standards. Die weichen schon deutlich von dem ab, was wir hier gewohnt sind. Aber die wesentlichen Konzepte, die einen Unternehmenskaufvertrag prägen, sind dieselben. Am Ende sind die inhaltlichen Besonderheiten dann doch gar nicht so groß. Das gilt schon eher für die steuerlichen Aspekte bei dem Erwerb eines Unternehmens in den USA. Auch hier waren wir im Zusammenspiel der deutschen und US RSM-Tax-Kollegen aber bestens aufgestellt.
Herr Schneck, bezogen auf den gesamten Transaktionsprozess, was waren aus Sicht der CENIT Gruppe in der Rückschau die größten Herausforderungen? Und wie konnten diese gemeistert werden?
Bei einer Transaktion mit einem nordamerikanischen Unternehmen besteht die Herausforderung darin, die Balance zwischen der eher konservativen Bewertungsperspektive eines deutschen Käufers und der oftmals sehr optimistischen Einschätzung amerikanischer Verkäufer zu finden. Gleichzeitig gilt es, den Verkaufsprozess so zu gestalten, dass man nicht an einen nordamerikanischen Wettbewerber verliert. Gemeistert haben wir dies durch Transparenz bei der Bewertung des Unternehmens, so dass die Verkäufer unsere Betrachtung jederzeit nachvollziehen konnten. Mit der Brücke der Earn-Out-Vereinbarung konnte der Verkäufer seine Optionen beibehalten.
Herr Schneck, nach der erfolgreichen Transaktion fängt die Arbeit in der Regel erst an, denn das Zielunternehmen muss in die Strukturen der CENIT Gruppe integriert werden. Was lief dabei gut - und wo lagen die größten Herausforderungen?
Anstelle einer Integration haben wir ein sog. Onboarding vorgenommen. Bei der CENIT bedeutet das, dass das übernommene Unternehmen seinen Namen und die bestehende Geschäftsführung beibehält. Statt starrer Vorgaben setzen wir auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe, bei der Entscheidungen gemeinsam und pragmatisch getroffen werden. Unser gemeinsames Ziel ist dabei, beide Unternehmen nachhaltig voranzubringen. Die größte Herausforderung begegnet uns im Bereich der Vorhersagegenauigkeit bei der Planung und Zielerreichung. Hier gilt es, die Balance zwischen nordamerikanischem Optimismus und realistischer Zielerreichung zu finden.
Herr Schneck, rückblickend knapp ein Jahr nach Anteilserwerb - haben sich Ihre Erwartungen an den Deal bezahlt gemacht - auch mit Blick auf die aktuelle Regierung?
Die Erwartungen haben sich weitgehend erfüllt. Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass sich der nordamerikanische Optimismus durchsetzt und wir über Plan ins Ziel kommen. Die aktuelle Regierung spielt für uns eine nur untergeordnete Rolle, da wir derzeit nur Dienstleistungen in den USA erbringen und somit von Zöllen nicht betroffen sind. Sollte es zu einer Rezession kommen, wird dies selbstverständlich Auswirkungen auf unser Geschäft haben. Dennoch blicken wir weiterhin optimistisch in die Zukunft.
Herr Schneck, können Sie abschließend einige der best practices oder Erfolgskriterien hervorheben, die den Prozess dieser internationalen Transaktion ihrer Meinung nach wesentlich beeinflusst haben und auch für künftige Übernahmen relevant sein können?
Wir sind von unserem Onboarding-Ansatz überzeugt. Bei einer reinen Integration besteht die Gefahr, dass den Mitarbeitenden des übernommenen Unternehmens starre Vorgaben gemacht werden, wodurch schnell der Eindruck entstehen kann, ihr bisheriger Erfolg werde infrage gestellt. Im schlimmsten Fall entsteht das Gefühl: „Jetzt kommt ein deutsches Unternehmen und erklärt uns, wie es besser geht.“ Solche Integrationsprozesse können nicht nur die Unternehmenskultur beschädigen, sondern auch den Teamgeist und damit die Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen.
Ebenso ist das Vertrauen in die handelnden Personen des übernommenen Unternehmens von zentraler Bedeutung, vor allem die Beibehaltung des bestehenden Managements. Sie sind es, die das Team mitnehmen, Orientierung geben und damit maßgeblich zum Erfolg der Übernahme beitragen. Wir bei der CENIT haben bei Übernahmen eine Fluktuation von unter einem Prozent.
Letztlich muss man die kulturellen Unterschiede herausarbeiten, verstehen und beachten. Unbedachte Aussagen oder Verhaltensweisen können in einer anderen Kultur missverstanden werden und eine Deutung erhalten, die ein Zusammenwachsen der Unternehmen erschwert.
Vielen Dank an alle Beteiligten für das interessante Interview. Für weitere Details zum Erwerb der Mehrheitsbeteiligung an der Analysis Prime LLC durch die CENIT Gruppe verweisen wir auf unsere Dealmeldung.
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