
Kein böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes bei Freistellung während der Kündigungsfrist
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellt den Arbeitnehmer trotz dessen Beschäftigungsanspruchs von der Arbeit frei, unterlässt der Arbeitnehmer in der Regel nicht böswillig anderweitigen Verdienst, wenn er nicht schon vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis eingeht.
Kommt der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung seines Arbeitnehmers in Verzug, kann der Arbeitnehmer nach § 615 BGB für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Allerdings muss sich der Arbeitnehmer den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.
Im Streitfall kündigte ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich und stellte den Arbeitnehmer unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Nach Zugang der Kündigung meldete sich der Arbeitnehmer arbeitssuchend. Der Arbeitgeber übersandte ihm insgesamt 43 von Jobportalen oder Unternehmen online gestellte Stellenangebote, die nach seiner Einschätzung für den Arbeitnehmer in Betracht gekommen wären. Nachdem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach Vorlage der Stellenangebote keine Vergütung mehr zahlte, forderte der Arbeitnehmer diese im Klageweg ein.
Zu Recht, wie das BAG mit Urteil vom 12.02.2025 (Az. 5 AZR 127/24) entschied. Der Arbeitgeber befand sich aufgrund der von ihm einseitig erklärten Freistellung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist im Annahmeverzug und schuldet diesem nach § 615 Satz 1 i. V. m. § 611a Abs. 2 BGB die vereinbarte Vergütung für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist. Nicht erzielten anderweitigen Verdienst müsse sich der Arbeitnehmer nicht nach § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen. Der durch eine fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer eintretende Nachteil sei nur gerechtfertigt, wenn dieser entgegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) untätig geblieben ist. Weil § 615 Satz 2 BGB eine Billigkeitsregelung enthält, könne der Umfang der Obliegenheit des Arbeitnehmers zu anderweitigem Erwerb nicht losgelöst von den Pflichten des Arbeitgebers beurteilt werden.
Hinweis: Im Streitfall habe der Arbeitgeber jedoch nicht dargelegt, dass ihm die Erfüllung des aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden, auch während der Kündigungsfrist bestehenden Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers unzumutbar gewesen wäre. Demzufolge bestand für den Arbeitnehmer keine Verpflichtung, schon vor Ablauf der Kündigungsfrist zur finanziellen Entlastung des Arbeitgebers ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen und daraus Verdienst zu erzielen. Denkbare Fälle, in denen von einer Unzumutbarkeit ausgegangen werden kann, sind bspw. solche, in denen der Arbeitgeber den gekündigten Arbeitnehmer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr beschäftigen kann, selbst wenn er wollte (z. B. Stilllegung des Betriebs, fehlende Arbeitserlaubnis des Arbeitnehmers). Aber auch Fälle des unwiderleglich zerrütteten Vertrauensverhältnisses dürften u. U. genügen, solange der Arbeitgeber dafür konkrete aus der Sphäre bzw. Person des Arbeitnehmers stammende Umstände darlegen kann.
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