Kein Verfall virtueller Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Bestimmt eine Verfallklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass zugunsten des Arbeitnehmers bereits ausübbare „gevestete“ virtuelle Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Eigenkündigung sofort verfallen, benachteiligt diese den Arbeitnehmer unangemessen. Dies gilt auch für eine Klausel, wonach die „gevesteten“ virtuellen Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses doppelt so schnell verfallen, wie sie innerhalb der sog. „Vesting-Periode“ entstanden sind.
In Vesting-Klauseln wird geregelt, was mit den Anteilen eines Mitarbeiters geschieht, wenn er (in der Regel das Start-up-)Unternehmen verlässt. Im Streitfall endete das zwei Jahre andauernde Arbeitsverhältnis durch fristgerechte Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses bezog er virtuelle Optionsrechte. Nach den Bestimmungen für Mitarbeiter-Aktienoptionen setzte die Ausübung der virtuellen Optionen u. a. deren Ausübbarkeit nach Ablauf einer Vesting-Periode voraus. Die dem Arbeitnehmer zugeteilten virtuellen Optionen waren nach einer Mindestwartezeit von zwölf Monaten innerhalb einer Vesting-Periode von insg. vier Jahren gestaffelt ausübbar. Die Vesting-Periode wurde ausgesetzt, wenn und solange der Arbeitnehmer von seiner Pflicht zur Arbeitsleistung ohne Gehaltsanspruch entbunden ist. Bereits ausübbare („gevestete“), aber noch nicht ausgeübte virtuelle Optionen verfielen u. a., wenn das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers endet. Im Übrigen verfielen „gevestete“, aber noch nicht ausgeübte virtuelle Optionen sukzessive innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach Ende des Arbeitsverhältnisses. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Mitarbeiters waren 31,25 % der ihm zugeteilten Optionsrechte „gevestet“. Er machte seinen Anspruch auf diese virtuellen Optionen geltend. Dies lehnte der Arbeitgeber unter Hinweis auf den Verfall der Optionsrechte ab.
Zu Unrecht, wie das BAG mit Urteil vom 19.03.2025 (Az. 10 AZR 67/24) entschied. Bei den Bestimmungen über das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfenden Verfallklauseln hielten der AGB-Inhaltskontrolle nicht stand. Die durch teilweisen Ablauf der Vesting-Periode „gevesteten“ virtuellen Optionen stellen nach Auffassung des BAG auch eine Gegenleistung für die vom Mitarbeiter in dieser Zeit im aktiven Arbeitsverhältnis erbrachte Arbeitsleistung dar. Dies folge insb. aus der Regelung zur Aussetzung der Vesting-Periode in Zeiten, in denen der Arbeitnehmer keinen Entgeltanspruch erwirbt.
Weiter führt das BAG aus, dass der sofortige Verfall „gevesteter“ Optionen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Interessen des Arbeitnehmers nicht angemessen berücksichtige. Die „gevesteten“ Optionsrechte seien eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und dürften nach der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht verfallen. Zudem sah das BAG darin eine unverhältnismäßige Kündigungserschwerung, denn der Optionsberechtigte dürfe zur Vermeidung einer möglichen Vermögenseinbuße das Arbeitsverhältnis vor einem ungewissen Ausübungsereignis nicht kündigen.
Hinweis: Soweit das BAG in seiner Entscheidung vom 28.05.2008 (Az. 10 AZR 351/07) den sofortigen Verfall bereits „gevesteter“ Optionen, die während des Arbeitsverhältnisses noch nicht ausgeübt werden konnten, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für zulässig hielt, hält das BAG nunmehr an dieser Auffassung ausdrücklich nicht mehr fest.
Auch die Klausel zum sukzessiven Verfall benachteilige den ausscheidenden Arbeitnehmer bei typisierender Betrachtung unangemessen. Zwar reflektiere sie durch den graduellen Verfall der Optionen, dass dessen Einfluss auf den Unternehmenswert mit der Zeit abnimmt. Sie lasse jedoch zu, dass die dem Arbeitnehmer zugeteilten virtuellen Optionen doppelt so schnell verfallen, wie sie „gevestet“ sind. Damit bliebe die Zeit, die der Arbeitnehmer durch Erbringung seiner Arbeitsleistung in der Vesting-Periode für die ausübbaren Optionsrechte aufgewandt hat, unberücksichtigt, ohne dass die kürzere Verfallfrist durch entgegenstehende Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist.
Ansprechpartner