Korruptionsstrafrecht: Wenn die Currywurst zum Verhängnis wird

13.02.2024 | 5 Minuten Lesezeit

Bereits seit Längerem zeichnet sich der Trend ab, dass die Strafverfolgungsbehörden Geschenke und Einladungen verstärkt in den Blick nehmen. Ein aktueller Fall aus Hannover bestätigt diesen erneut. Im Mittelpunkt des Strafverfahrens: Einige Currywürste, 17 Polizisten und ein großzügiger Referent. Die häufig schwierige Abgrenzung zwischen „Gastfreundschaft" und strafrechtlich relevanter Korruption lässt sich nur am konkreten Fall aufgrund einer Gesamtabwägung der Umstände im Einzelnen vornehmen und bedarf häufig einer Hinzuziehung von rechtlichen Experten auf diesem Gebiet.

Der Bereich des Korruptionsstrafrechts ist durchaus komplex und die Beurteilung der Strafbarkeit von Handlungen, die auf den ersten Blick als alltägliche Gefälligkeiten erscheinen mögen, erfordert stets eine detaillierte Betrachtung. Ein aktueller Fall hebt die fließenden Grenzen zwischen zulässigem Geschäftsgebaren und unzulässiger Einflussnahme hervor.

Laut einer Meldung der Hannoverschen Allgemeinen ermittelt die dortige Staatsanwaltschaft gegen 17 Polizisten sowie gegen den Referenten eines Landesbetriebes. Der Verdacht: der Referent soll die Polizisten über mehrere Monate immer wieder auf seine Kosten zum Currywurstessen eingeladen haben. Der Sachverhalt wirft fundamentale Fragen im Bereich der Korruptionsdelikte auf: Wann überschreitet eine Zuwendung die Grenze von zulässiger Kontaktpflege im Rahmen des Geschäftsalltags zur strafrechtlich relevanten Vorteilsgewährung oder gar Bestechung?

Rechtlicher Rahmen der Korruptionsdelikte

Die rechtliche Bewertung derartiger Sachverhalte orientiert sich in Deutschland primär an den § 299 und §§ 331 ff. des Strafgesetzbuches (StGB), die den gesetzlichen Rahmen für die Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen sowie im öffentlichen Verkehr definieren.

Diese Normen zielen darauf ab, den freien und fairen Wettbewerb sowie die Interessen des Geschäftsherrn bzw. das Vertrauen der Allgemeinheit in die „Nicht-Käuflichkeit” von dienstlichen Handlungen und in die Sachlichkeit der Entscheidungen der Amtsträger, mithin die Funktionsfähigkeit und Integrität des öffentlichen Dienstes, zu schützen. Sie stellen Verhaltensweisen unter Strafe, die darauf gerichtet sind, bestimmte Personen durch Vorteile zu beeinflussen.

Entscheidend ist dabei zunächst, wer Empfänger der Zuwendung ist oder werden soll, da das Gesetz dahingehend gänzlich unterschiedliche Maßstäbe ansetzt. Amtsträger sind insbesondere alle Beamte, Richter und sonstige in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehenden Personen – in dem Currywurst-Fall also auch die Polizisten aus Hannover. Die Schwelle zur Strafbarkeit ist in Bezug auf Amtsträger deutlich niedriger angesetzt als diejenige, die bei Empfängern aus der Privatwirtschaft angelegt wird. Schließlich kommt es auf die Existenz einer "Unrechtsvereinbarung" zwischen Geber und Nehmer des Vorteils an. Im Wesentlichen muss danach die Vorteilszuwendung im Austausch für die unlautere Bevorzugung im Wettbewerb oder Pflichtverletzung gegenüber dem Unternehmen bzw. in Bereich der Amtsträger für die Vornahme der Diensthandlung oder Dienstausübung bzw. gar für eine Verletzung der Dienstpflichten erfolgen.

Currywürste und sonstige Aufmerksamkeiten für Beamte – ein strafrechtliches Risiko

Im Fokus des Korruptionsstrafrechts steht der Begriff des Vorteils, der weit auszulegen ist und sowohl materielle als auch immaterielle Zuwendungen umfasst. Die Korruptionstatbestände unterscheiden dabei nicht, ob der Empfänger Geldscheine in die Hand gedrückt bekommt oder eben Currywürste – beide können einen Vorteil für den Empfänger darstellen.

Doch eben nicht jede Zuwendung ist strafbar. Maßgeblich hinzukommen muss, dass der Empfänger den Vorteil im Austausch für eine Gegenleistung angeboten, versprochen oder gewährt wird. Dabei ist die Schwelle für den Verdacht einer solchen Unrechtsvereinbarung im Bereich der Amtsträgerbestechung besonders niedrig. Selbst wenn keine explizite Vereinbarung getroffen wurde, kann die Gewährung von Vorteilen als implizites "Anfüttern" mit Blick auf die Dienstausübung interpretiert werden, die auf eine schleichende Beeinflussung abzielt und somit als Unrechtsvereinbarung eingestuft werden kann. Es reicht mithin bereits die sog. „Klimapflege“, also eine Konstellation, in der lediglich das allgemeine Wohlwollen des Beamten gesichert werden soll.

Für eine Bewertung der Frage, ob eine solche Unrechtsvereinbarung vorliegt oder stattdessen von einer „sozialadäquaten" Zuwendung und mithin keiner besonderen Motivation einer Bevorzugung auszugehen ist, bedarf es in der Regel zunächst einer durchaus komplexen Gesamtbetrachtung objektiver Kriterien des Einzelfalls – diese bereitet häufig selbst rechtskundigen Personen nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Im vorliegenden Fall steht zu beurteilen, ob die wiederholten Einladungen zu kostenfreien Mahlzeiten als materieller Vorteil qualifiziert werden, der potenziell geeignet sein könnte, die dienstliche Entscheidungsfindung der eingeladenen Beamten zu beeinflussen.

Hier prüft die Staatsanwaltschaft der Berichterstattung zufolge, ob der Referent sich etwa durch die wiederholten Currywurst-Einladungen positive Bewertungen für die von ihm angebotenen Fortbildungen erhofft haben könnte.

Im Kontext der Korruptionsprävention wird deutlich, dass die Gewährung von Vorteilen an – seien es Vorteile wie Currywürste oder sonstige Zuwendungen – stets einer genauen Prüfung durch Experten bedarf, um sich nicht der Gefahr eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und den damit verbundenen Konsequenzen auszusetzen.

Präventive Compliance Maßnahmen

Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens unterstreicht dieser Fall die Relevanz der Korruptionsprävention als integralen Bestandteil der Compliance Management Systeme in Unternehmen. Sie sollten darauf ausgerichtet sein, sowohl jegliche Formen der Korruption zu unterbinden als auch entsprechende Risiken zu erkennen. Gerade für mittelständische Unternehmen stellt dies alles andere als eine leicht zu bewältigende Aufgabe dar.

Klare Verhaltensrichtlinien und regelmäßige Sensibilisierung der Mitarbeiter sind dabei unerlässlich. Daher empfiehlt es sich insbesondere, eindeutige Prozesse und Compliance-Strukturen zu etablieren, um bereits das Risiko möglicher korruptiver Verhaltensweisen zu minimieren. Parallel können regelmäßige Schulungen dazu beitragen, das Bewusstsein für korruptionsrelevante Situationen zu schärfen und den sorgfältigen Umgang mit Zuwendungen zu erlernen.

Hinweis: Jüngst wurde von Transparency International der sog. Corruption Perceptions Index (kurz: CPI) für das Jahr 2023 veröffentlicht. Hierbei handelt es sich um einen global anerkannten Maßstab des wahrgenommenen Korruptionsniveaus in Regierung und öffentlicher Verwaltung. Auf der Skala, die von 0 (starke Korruptionswahrnehmung) bis 100 (keine Korruptionswahrnehmung) reicht, belegt Deutschland mit 78 Punkten aktuell den neunten Platz. Trotz eines Punkteverlustes zum zweiten Mal in Folge zählt Deutschland damit zu den Staaten mit einer starken Position im Kampf gegen Korruption.

Fazit

Was zunächst wie ein skurriler Fall klingen mag, ist für die Betroffenen nun bitterer Ernst. Der Hannoveraner Fall zeigt neben der Komplexität des Korruptionsstrafrechts und der Bedeutung einer klaren Abgrenzung zwischen erlaubter sozialer Interaktion und korruptiven Handlungen die Konsequenz der Ermittlungsbehörden in diesem Bereich auf. Es wird deutlich, dass selbst vermeintlich kleine Zuwendungen, wie die Bereitstellung von Imbiss-Mahlzeiten, zu einer strafrechtlichen Bewertung führen können, die weitreichende Konsequenzen für die beteiligten Personen nach sich ziehen würden.

Letztlich werden die Ermittlungen der zuständigen Staatsanwaltschaft Aufschluss darüber geben, inwieweit sich die Handlungen des Referenten und der Polizeibeamten als strafrechtlich relevant darstellen und ob hier die Schwelle zur Bestechlichkeit und Bestechung überschritten wurde. Ohne Zweifel illustriert der Fall die Notwendigkeit eines sorgfältigen Umgangs mit Zuwendungen, der eine konsequenten Umsetzung von Korruptionspräventionsmaßnahmen sowie die Einholung von strafrechtlicher Expertise voraussetzt.