
Reformbedarf im Steuerrecht: Forderungen von Experten und Steuerpflichtigen
Der neue Bundestag ist gewählt. Aller Voraussicht nach wird eine Große Koalition gebildet, die dann die Steuerpolitik der nächsten vier Jahre prägen wird. Zu hoffen ist, dass die Stimmen der Wissenschaft, der Wirtschaftsverbände und der Steuerpflichtigen Gehör finden. Denn diese sind sich einig, dass die Besteuerung insb. der Unternehmen einer Vielzahl an Änderungen bedarf.
Bereits in der Januar/Februar 2025-Ausgabe des novus sind wir auf aus unserer Sicht bestehende Pain-Points im Steuerrecht eingegangen. Nun weiten wir den Blick und gehen auf den im Juli 2024 von der Expertenkommission "Vereinfachte Unternehmensteuer" vorgelegten, umfangreichen Katalog an Reformvorschlägen ein. Aber auch der BDI, das IDW und das ifo-Institut fordern Änderungen im Unternehmenssteuerrecht, um die Konjunktur anzukurbeln und Unternehmen bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Herausforderungen zu unterstützen. Diese Forderungen spiegeln sich auch weitgehend in den Antworten von rund 2.300 Nutzern des RSM Ebner Stolz Taxomats 2025 wider, mit dem die eigenen steuerpolitischen Positionen mit den Wahlprogrammen der Parteien verglichen werden konnten.
Reformbedarf bei der Unternehmensbesteuerung
Senkung des Unternehmensteuersatzes
Das sagen die Experten:
Die Steuerlast von Unternehmen muss sinken - und zwar auf maximal 25 %. Darüber besteht weitgehend Einigkeit. Gemeint ist die sich aus Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer zusammensetzende Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften, die derzeit je nach Gewerbesteuerhebesatz der jeweiligen Gemeinden durchschnittlich 30 % beträgt.
Hinsichtlich des Einkommensteuertarifs, der nicht nur Unternehmer, sondern alle Personen mit in Deutschland steuerpflichtigen Einkünften betrifft, zeigt sich ein weniger einheitliches Bild. Teilweise wird eine Anhebung des Grundfreibetrags, eine Entlastung mittlerer Einkommen aber auch eine Anhebung des Tarifeckwerts des Spitzensteuersatzes gefordert.
Das sagen unsere Taxomat-Nutzer:
Neben Entlastungen von Kapitalgesellschaften durch einen geringeren Steuersatz (63 %) bejahen die Taxomat-Nutzer auch Entlastungen von Einkommensteuerzahlern. So befürworten 72 % der Taxomat-Nutzer, dass die Einkommensteuerbelastung automatisch an die Inflation angepasst werden sollte. Auch sind 80 % der Auffassung, dass der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer erst ab einem höheren Einkommen als derzeit 68.481 Euro greifen sollte. Für die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags sprechen sich 72 % der Taxomat-Nutzer aus - 20 % wollen weiterhin an dieser Sonderabgabe festhalten.


Verbesserung der Abschreibungsregeln
Das sagen die Experten:
Sowohl um die Investitionsbereitschaft anzukurbeln als auch zur Anpassung des gestiegenen Preisniveaus wird von der Expertenkommission eine deutliche Anhebung der Betragsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter von derzeit 800 Euro auf 2.500 Euro gefordert. Die Poolabschreibung sollte für Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten oberhalb dieser Grenze bis zu einem Betrag von 10.000 Euro gelten. Ähnliche Forderungen finden sich auch bei den Wirtschaftsverbänden. Darüber hinaus wird eine Verlängerung der degressiven AfA gefordert.
Das sagen die Taxomat-Nutzer:
Eine Verbesserung der Abschreibungsregeln sehen 85 % der Taxomat-Nutzer für erforderlich an. Bemerkenswert: Abschreibungsregeln waren auch schon im Bundestagswahlkampf 2021 ein zentrales steuerliches Thema und wurden von den Nutzern des Taxomats 2021 als ebenso bedeutend gewichtet (82 %).

Investitionsförderung
Das sagen die Experten:
Investitionsanreize könnten zudem durch eine Investitionsprämie geschaffen werden, die sowohl durch die Expertenkommission als auch durch den BDI ins Spiel gebracht wird.
Das sagen die Taxomat-Nutzer:
Die Förderung von Unternehmensinvestitionen mittels einer von einigen Parteien vorgeschlagenen Investitionsprämie von 10 % der Anschaffungssumme wird knapp mehrheitlich von 51 % der Taxomat-Nutzer befürwortet.

Verlustverrechnung
Das sagen die Experten:
Der momentan betraglich und zeitlich begrenzte Verlustrücktrag und die Beschränkung des Verlustvortrags durch die sog. Mindestbesteuerung werden kritisch beurteilt. Laut Expertenkommission sollte der Verlustrücktrag deutlich ausgeweitet und die Beschränkung des Verlustvortrags komplett gestrichen werden. Auch wird Reformbedarf bei der Verlustverrechnung von Personengesellschaften gesehen, die derzeit durch weitere Vorgaben eingeschränkt wird. Jedenfalls in der Abschaffung der Beschränkungen des Verlustvortrags zeigt sich breite Einigkeit mit den Wirtschaftsverbänden.
Das sagen die Taxomat-Nutzer:
Einer Vereinfachung der Verlustverrechnung pflichten die Taxomat-Nutzer zu zumindest 56 % bei.

Erbschaftsteuerliche Begünstigung von Betriebsvermögen
Das sagen die Experten:
Zahlreiche Finanzgerichte befassen sich mit der Frage, in welchen Fällen erbschaftsteuerlich begünstigtes Betriebsvermögen oder anderes Vermögen vorliegt, für das die Begünstigungen nicht in Anspruch genommen werden können. Um diese streitanfällige Grenzziehung zu vermeiden, empfiehlt die Expertenkommission eine Streichung der Begünstigungsregelung. Das ifo-Institut pflichtet dem bei und sieht Kompensationen durch einen einheitlichen, deutlich niedrigeren Steuersatz und Stundungsregelungen vor.
Das sagen die Taxomat-Nutzer:
Im Bundestagswahlkampf wurde zwar nicht die Streichung der Begünstigungen für Betriebsvermögen insgesamt, allerdings mehrfach eine Einschränkung der erbschaftsteuerlichen Begünstigung großer Betriebsvermögen gefordert. Die Nutzer des Taxomats 2025 lehnen dies jedoch mit 48 % ab, 42 % würden erbschaftsteuerliche Verschärfungen befürworten. Gegenüber 2021 zeigt sich hier eine Veränderung des Stimmungsbildes: seinerzeit waren mehr als 62 % gegen eine Erhöhung der Erbschaftsteuer.

Weiterer Reformbedarf im Unternehmenssteuerrecht
Wie bereits hier ausgeführt, besteht weiterer wesentlicher Handlungsbedarf, der unisono auch von der Expertenkommission und den Wirtschaftsverbänden so gesehen wird:
- Um Unterschiede in der Steuerbelastung von Personen- und Kapitalgesellschaften weiter zu beseitigen, werden dringend Nachbesserungen bei der Thesaurierungsbegünstigung und dem Optionsmodell gefordert. Die Expertenkommission geht dabei sogar so weit, ein Optionsmodell vorzusehen, das sowohl die Besteuerung von Personengesellschaften gleich einer Kapitalgesellschaft als auch umgekehrt die Besteuerung von Kapitalgesellschaften gleich einer Personengesellschaft ermöglicht. Die Thesaurierungsbegünstigung von Personengesellschaften könnte dann künftig entfallen.
- Um wirtschaftlich sinnvolle Anpassungen von Unternehmensstrukturen steuerlich nicht zu behindern, wird einheitlich ein Umdenken gefordert. Steuerliche Regelungen, die Umwandlungen und Sanierungen behindern, wie z. B. das Teilbetriebserfordernis für eine steuerneutrale Umstrukturierung, sollen angepasst oder gestrichen werden. Erleichterungen werden auch bei grenzüberschreitenden Umwandlungen gefordert, die den regelmäßig international aufgestellten Mittelstand derzeit zur sehr in seinen Handlungsoptionen begrenzen.
- Einigkeit besteht darüber, dass eine Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung durch Abschaffung der Gewerbesteuer und Integration in die Einkommen- und Körperschaftsteuer erstrebenswert wäre, aber politisch kaum durchsetzbar ist. Gefordert wird jedenfalls unisono, das bestehende Gewerbesteuerrecht zu reformieren. So finden sich zahlreiche Vorschläge, wie die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Körperschaftsteuer, um eine vergleichbare Lage zu einkommensteuerpflichtigen Unternehmern zu erzielen, bei denen bereits heute eine pauschale Gewerbesteueranrechnung möglich ist. Auch sollte der derzeit umfassende Katalog an Hinzurechnungen kritisch überprüft werden, der derzeit dazu führt, dass Unternehmen ggf. auch in einer Verlustsituation mit Gewerbesteuer belastet werden.
Steuerpolitik jenseits der Unternehmensbesteuerung
Jenseits der klassischen Unternehmensbesteuerung votierten die Taxomat-Nutzer zu zahlreichen weiteren von den Parteien gesetzten Themen.
Die Frage, ob Mehrarbeit dadurch attraktiver gemacht werden soll, dass Zuschläge für Überstunden von der Lohnsteuer befreit werden, bejahen 71 %.
Weniger deutlich ist die Antwort zur Frage einer Reform des Ehegatten-Splitting. 51 % der Taxomat-Nutzer sprechen sich für eine Reform aus, 28 % sind dagegen und 21 % stehen dieser Frage indifferent gegenüber. In 2021 befürworteten hingegen zwei Drittel der damaligen Taxomat-Nutzer eine grundlegende Reform.
57 % der Nutzer des Taxomats 2025 sprechen sich für eine Beibehaltung des pauschalen Abgeltungsteuersatzes auf Zinsen und Dividenden aus. 2021 waren es lediglich knapp 50 %. Derzeit würden lediglich 33 % eine Rückkehr zum progressiven Einkommensteuertarif befürworten.
Nach wie vor spielt der Erwerb der Familienimmobilie eine große Rolle: 79 % der aktuellen Taxomat-Nutzer befürworten, dass Familien beim Ersterwerb einer privaten Wohnimmobilie von der Grunderwerbsteuer entlastet werden sollten. 2021 waren es rund 75 %.
Großer Zustimmung mit 85 % unterliegt der Vorschlag, dass Grundnahrungsmittel mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz besteuert werden sollten.
Bei einem weiteren wiederkehrenden Thema zeigt sich zumindest eine Tendenz: 44 % der Nutzer des Taxomats 2025 befürworten die Wiedereinführung der Vermögensteuer für sehr große Vermögen, 49 % lehnen dies ab. 2021 sprachen sich noch knapp 60 % gegen die Wiedereinführung der Vermögensteuer aus.
Fazit
Es ist zu hoffen, dass bei der neuen Bundesregierung und insb. bei der oder dem künftigen Bundesministerin oder Bundesminister der Finanzen die Vorschläge der Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmensteuer“, die Äußerungen der Wirtschaftsverbände sowie -institute und auch die Stimmung bei den Steuerpflichtigen und Unternehmen Gehör finden. Gefordert werden durchgängig Nachbesserungen bei den bestehenden steuergesetzlichen Regelungen, um Steuerbelastungen zu senken, die die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen insb. im internationalen Wettbewerb beeinträchtigen, und Liquiditätsspielräume für mehr Investitionen freizusetzen. Angesichts des zuletzt durch den Amtswechsel in den USA deutlich rauer werdenden Töne auf globaler Ebene benötigen Unternehmen mehr denn je steuerliche Entlastungen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
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