Unternehmensinterne Untersuchungen - richtig gemacht 

18.02.2025 | 3 Minuten Lesezeit

Vorsicht, Straftat! Selbst in erfolgreichen und gut geführten Unternehmen kann der Verdacht von Straftaten durch Mitarbeiter oder Organmitglieder aufkommen - insbesondere, seit solche Verstöße im Rahmen des Hinweisgeberschutzgesetzes oder des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes einfacher gemeldet werden können. Die Art der Meldungen reicht von arbeitsrechtlichen Themen wie Scheinselbstständigkeit und Verstößen gegen den Mindestlohn über Korruptionsdelikte, Unterschlagung und Diebstahl bis hin zu steuerlichen Angelegenheiten und Datenschutzverstößen. Da Unternehmen in verschiedenen Rechtsordnungen agieren, erfolgen mögliche Straftaten nicht selten auch über Landesgrenzen hinweg.

Die Ermittlungsbehörden prüfen heutzutage verstärkt, wie Unternehmensverantwortliche auf Verdachtsmomente für Straftaten reagieren. Dabei gibt es zahlreiche rechtliche Fallstricke, die oft die Hinzuziehung externer Berater erfordern.

In dieser Roadmap gibt unser multidisziplinäres Team aus erfahrenen Strafrechtlern und Beratern für die Durchführung von forensischen Sonderuntersuchung und die Nachverfolgung von Unternehmensstraftaten praktische Hinweise zur Bewältigung der Herausforderungen, mit denen Verantwortliche bei nationalen und internationalen Untersuchungen konfrontiert werden können.

Fallbeispiel: „Corruption payments of local management"

Über das Hinweisgebersystem geht eine Meldung ein, wonach ein Mitarbeiter einer ausländischen Tochtergesellschaft schwere Vorwürfe gegen das lokale Management erhebt:

„ Corruption payments of local management”

Die Tochtergesellschaft ist für den Vertrieb der in Deutschland produzierten Produkte des Konzerns zuständig und kümmert sich insbesondere um die Geschäftsanbahnung mit potenziellen Kunden vor Ort.

Der Hinweisgeber führt aus, dass das lokale Management Regierungsbeamte zur Erlangung eines Auftrags im erheblichen Umfang bestochen habe. Zudem gebe es Hinweise, dass das lokale Management dafür mit Personen aus Deutschland zusammengearbeitet haben soll.

Zu berücksichtigende Eingangsfragen:

  • Welche konkreten Straftatbestände könnten in Betracht kommen?
  • Welche Aufklärungsmaßnahmen können ergriffen werden?
  • Welche Rechtsordnungen finden Anwendung und welche Fristen sind ggf. gegenüber den relevanten Behörden (z. B. Ermittlungsbehörden oder Steuerbehörden) zu beachten?
  • Kann die Untersuchung intern durchgeführt werden oder sollte externe Hilfe hinzugezogen werden?
  • Wie lassen sich die relevanten Daten beschaffen und welche Personen können befragt werden?
  • Was gilt es bzgl. des Hinweisgeberschutzes zu beachten?
  • Wie kann eine mehrsprachige Untersuchung effizient durchgeführt werden?

Wesentliche Faktoren für eine erfolgreiche Durchführung

Die Durchführung erforderlicher Ermittlungen stellt insbesondere für mittelständische Unternehmen eine erhebliche Herausforderung dar, da sie meist im Gegensatz zu vielen Großkonzernen aufgrund ihrer Größe keine spezialisierten Abteilungen oder Mitarbeiter dafür haben. Die Gewährleistung von objektiver Unabhängigkeit und Neutralität bei der Aufdeckung möglicher Unregelmäßigkeiten kann weiterhin zu Interessenkonflikten führen, vor allem, wenn es zu Überschneidungen in den Zuständigkeitsbereichen kommt. In solchen Fällen kann die Einbindung externer Berater erforderlich sein, um eine effektive und neutrale Untersuchung sicherzustellen.

Die Gestaltung der Untersuchungshandlungen hängt von den potenziell relevanten Delikten, der Verfügbarkeit von Informationsquellen, den rechtlichen Rahmenbedingungen und den zeitlichen Erfordernissen ab. Eine „state of the art“ unternehmensinterne Ermittlung folgt einer strukturierten Untersuchungsstrategie, die die auf den Einzelfall angepassten Maßnahmen koordiniert und die rechtlichen sowie zeitlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Untersuchungshandlungen beschränken sich dabei nicht ausschließlich auf den „aktiven“ Part einer Unternehmung: Auch im Insolvenzfall können forensische Untersuchung entscheidend für die Zahlungsstromanalyse oder die Ermittlung von Vermögenswerten sein.

Ein strukturierter Ansatz ist entscheidend, denn nur so können Aufklärungsmaßnahmen erfolgreich sein und rechtliche sowie organisatorische Fallstricke vermieden werden. Bei der Durchführung einer Untersuchung sind einige Schlüsselaspekte besonders zu beachten.

Aufbau des richtigen Teams

In Abhängigkeit des möglichen Deliktes und des konkreten Sachverhalts bedarf es einer auf den Einzelfall abgestimmten Teamzusammenstellung. Die Anforderungen reichen vom strafrechtlichen Know-how über die bilanzielle, steuerliche und IT-Expertise bis zur Einbindung von Experten aus den Bereichen Arbeitsrecht, Insolvenzrecht, Kartellrecht oder Datenschutzrecht. Bei der Teamzusammenstellung muss sorgfältig geprüft werden, ob die vorhandenen internen Ressourcen für die Durchführung der Untersuchung ausreichen oder ob der Einsatz externer Berater notwendig ist, um die benötigte Fachexpertise sowie branchenübliche Best Practices in den Untersuchungsprozess zu integrieren.

Bei der Gestaltung der Teamstruktur sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:

  • Erfordert die Untersuchung, dass vor Ort gearbeitet, um relevante Informationen zu beschaffen und gezielte lokale Nachforschungen anzustellen?
  • Wo befinden sich die für die Untersuchung relevanten Informationen, und wie kann auf diese zugegriffen werden? Bedarf es eines Datenabzugs durch forensische Experten?
  • Benötigt die Untersuchung Personen mit speziellen Sprach- und Kulturkenntnissen, um Befragungen durchzuführen oder Dokumente in einer anderen Sprache zu prüfen?
  • Erfordert die Art der Untersuchung den Einsatz von Spezialisten wie forensischen Buchhaltern, Cyber-Experten oder Datenanalysten?

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist für eine effektive Teamzusammenstellung zudem zu bestimmen, welche Aufgaben aus der Ferne bewältigt werden können und welche vor Ort im jeweiligen Land durchgeführt werden müssen. Sollte die Notwendigkeit bestehen, dass Verantwortliche oder spezialisierte Fachkräfte im betreffenden Land agieren, müssen die entsprechenden Verantwortlichen die Kompetenzen der lokalen Teams evaluieren. Falls diese nicht ausreichend sind, ist möglicherweise die Entsendung zusätzlicher Experten erforderlich. Unabhängig von der Entscheidung erfordern beide Ansätze eine sorgfältige Planung und Koordination der Prozesse.

Rechtliche und regulatorische Verpflichtungen

Bei jedem Schritt der Untersuchung müssen rechtliche Vorgaben strikt beachtet werden, um nicht selbst eine Strafbarkeit zu begründen – etwa bei der unberechtigten Durchsicht von E-Mail-Accounts eines Mitarbeiters. Für die Verantwortlichen ist es entscheidend, die rechtlichen und behördlichen Herausforderungen sowie die potenziellen Risiken der Untersuchung zu erkennen. Nicht selten müssen bei der Durchführung von Sonderuntersuchungen neben nationalen auch internationale rechtliche und regulatorische Anforderungen beachtet und eingehalten werden.

Es ist ratsam, sich frühzeitig mit einem internen oder externen Rechtsbeistand abzustimmen sowie rechtlichen Rat in den relevanten Bereichen einzuholen, um diese Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen. Dies verhindert, dass Unternehmensverantwortliche für Verfahrensfehler zur Verantwortung gezogen werden. Zu den wichtigsten anfänglichen Überlegungen bezüglich der rechtlichen und regulatorischen Anforderungen für die Verantwortlichen gehören:

  • Welche Rechtsordnungen finden Anwendung und welche Fristen sind zu beachten? Lokale Datenschutzgesetze können sowohl den Zugang der Verantwortlichen zu Informationen als auch die globale Übertragung von Daten einschränken, z. B. die DSGVO.
  • Welche internen Regelungen sind zu beachten?
  • Welche Regelungen des EU-Hinweisgeberschutzes und ggf. internationale Regelungen gilt es zu beachten?
  • Ist ein Legal Privilege bzw. Attorney Client Privilege, ein insbesondere in der angelsächsischen und US-amerikanischen Rechtsordnung bestehendes rechtliches Prinzip, das die vertrauliche Kommunikation zwischen einem Anwalt und seinem Mandanten schützt, einschlägig?
  • Sofern eine Melde- und Anzeigeverpflichtung besteht, sollte eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit den zuständigen Behörden erfolgen. Es kann für die Compliance-Kultur im Unternehmen durchaus geboten sein, bestimmte Sachverhalte zur Anzeige zu bringen. Hier gilt es, eine einzelfallbezogene Abwägungsentscheidung zu treffen.

Informationsbeschaffung und Auswertung

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass der Verantwortliche eine erste Bewertung aller anwendbaren Datenschutzregelungen vornimmt, die sich auf die Erhebung und Übermittlung von Daten auswirken können, und erforderlichenfalls Rechtsberatung einholt.

Sobald festgestellt wurde, dass es Informationen gibt, die für die Untersuchung relevant sind und vom Untersuchungsteam eingesehen und überprüft werden können, ist es wesentlich, diese sachgerecht zu sichern. Ein fehlerhaftes Verfahren kann eine Reihe von Herausforderungen mit sich bringen, insbesondere für die spätere Verwertbarkeit.

Zu den wichtigsten anfänglichen Überlegungen des Verantwortlichen der Untersuchung in Bezug auf die Informationsbeschaffung und der Auswertung gehören:

  • Wo befinden sich die Informationen? Wenn die Informationen in verschiedenen Rechtsordnungen vorliegen, sollten die Verantwortlichen prüfen, ob vertrauenswürdige lokale Ressourcen bei der Sammlung helfen können.
  • In welcher Form liegen Informationen vor? Digital oder Papierform? Müssen Kommunikationsdaten eingesehen werden? Welche Informationen sind durch Gespräche zu erlangen?
  • Wie werden elektronische Daten gespeichert? Möglicherweise müssen forensische Experten elektronische Daten von Laptops, Mobiltelefonen oder Netzwerkservern sammeln. Kann der Zugriff auf die Daten lokal oder auch aus der Ferne gesteuert werden?

Sobald alle Dokumente vorliegen, erfolgt eine strukturierte und zielgerichtete Auswertung der Informationen. In Abhängigkeit der Art der Information, erfolgt dies unter Zuhilfenahme von Software-Tools, z. B. e-Discovery Plattformen.

Außerdem ist die mögliche Integration von Künstlicher Intelligenz in die Durchführung der forensischen Sonderuntersuchung zu prüfen. Mögliche Anwendungsbereiche umfassen u. a. KI-gestützte Sprachmodelle zur effizienten Extraktion relevanter Informationen, automatisierte Review-Funktionen zur Überprüfung und Validierung von Datenbeständen sowie den Einsatz bei der Datenanalyse. Der gezielte Einsatz dieser Software bzw. Technologien ermöglicht es, die erforderlichen Ermittlungen zielgerecht zu unterstützen.

Berichtserstattung

Es sollte bereits zu Beginn der unternehmensinternen Ermittlungen eine Kommunikations- bzw. Berichtsstrategie festgelegt werden, um die wichtigsten Interessengruppen frühzeitig über den Fortgang der Untersuchung auf dem Laufenden zu halten, insbesondere wenn die Stakeholder in verschiedenen Ländern oder Zeitzonen angesiedelt sind.

Wenn die Untersuchung abgeschlossen ist, sollten das Untersuchungsteam und relevante Verantwortliche entscheiden, wie die Ergebnisse gemeldet werden sollen. Die Art der Berichterstattung hängt neben den Adressaten insbesondere auch von der Art der weiteren Verwendung der Ergebnisse ab, z. B. als Grundlage für die Weiterleitung an eine Strafverfolgungs- oder Aufsichtsbehörde. Die Verantwortlichen sollten auch überlegen, wer Zugang zu dem Bericht haben muss und sicherstellen, dass bei der Übermittlung des Berichts alle einschlägigen Datenschutzbestimmungen eingehalten werden.

 

RSM Ebner Stolz als verantwortungsvoller Partner

Für eine erfolgreiche Durchführung einer forensischen Untersuchung und den damit einhergehenden rechtlichen und organisatorischen Herausforderungen bedarf es eines strukturierten und durchdachten Ansatzes. RSM Ebner Stolz steht Ihnen dafür national und international mit einem Team von Experten aus der Wirtschaftsprüfung und Rechtsberatung zur Seite. Darüber hinaus haben wir Zugriff auf weitere Fachexperten aus dem In- und Ausland, z. B. IT- oder Steuerexperten, die wir bei Bedarf nahtlos in das Team integrieren. Durch die multidisziplinäre und enge Zusammenarbeit aus einer Hand kann eine unabhängige, umfassende und effiziente Untersuchung eines Verdachtsfalls gewährleistet werden. Auch der Einsatz unserer state of the art Software-Tools trägt zum erfolgreichen Abschluss einer Untersuchung bei. Von der Sachverhaltsaufklärung bis hin zur Verteidigung vor Staatsanwaltschaften, Ermittlungsbehörden und Gerichten begleiten wir Sie durch den gesamten Prozess.