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IDW S 6: Anforderungen an Sanierungskonzepte

29.01.2025 | 4 Minuten Lesezeit

Sanierungskonzepte werden zu verschiedenen Zwecken erstellt, etwa als Grundlage einer Finanzierungsentscheidung in Krisensituationen, als Entlastung von Gläubigern, die in Kenntnis einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners einer Teilzahlungsvereinbarung zustimmen oder zur Vermeidung einer strafrechtlichen bzw. zivilrechtlichen Haftung der Organe.

Der IDW Standard (IDW S6) „Anforderungen an Sanierungskonzepte“ beschreibt, was bei der Erstellung von Sanierungskonzepten zu beachten ist.

Der BGH hat in verschiedenen Urteilen zentrale Aspekte von Sanierungskonzepten festgelegt und hierfür Anforderungen definiert, die zumindest in Teilen einer betriebswirtschaftlichen Auslegung bedürfen. IDW S 6 berücksichtigt in seiner aktuellen Fassung alle einschlägigen Urteile des BGH, konkretisiert diese unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Aspekte und integriert sie so, dass die Grundlagen für ein schlüssiges und erfolgsversprechendes Sanierungskonzept geschaffen werden.

Kernanforderungen an Sanierungskonzepte

Fortführungsfähigkeit

Sanierungsfähigkeit erfordert nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf Stufe 1 die Fortführungsfähigkeit im Sinne einer positiven insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose, also die Durchfinanzierung im Sanierungszeitraum.

Wettbewerbsfähigkeit

Zusätzlich wird auf Stufe 2 eine durchgreifende Sanierung gefordert, nämlich die Wiederherstellung der Rentabilität der unternehmerischen Tätigkeit, um im Wettbewerb aus eigener Kraft bestehen zu können (Wettbewerbsfähigkeit).

Wettbewerbsfähig ist ein Unternehmen nach IDW S 6 dann, wenn es dauerhaft fortgeführt werden kann. Die Wettbewerbsfähigkeit bezieht sich neben dem Mitarbeiter- und Produkt-/Dienstleistungspotenzial regelmäßig auch auf die Wandlungs- und Adaptionsfähigkeit des Unternehmens an externe Entwicklungen.

Hinweis: In diesem Zusammenhang sind u. a. die Anforderungen der Digitalisierung und der Einhaltung von Anforderungen der Umwelt-, sozialen und Corporate Governance-Kriterien (ESG) zu berücksichtigen.

Finanzierbarkeit

Die Wettbewerbsfähigkeit setzt die Finanzierbarkeit am Markt voraus. Dies bedeutet, dass das Unternehmen am Ende des Sanierungszeitraums über ein angemessenes positives Eigenkapital und eine angemessene Rendite verfügen muss.

Kernbestandteil des Sanierungskonzepts ist das Leitbild des sanierten Unternehmens. Das Leitbild umschreibt das Ziel der Unternehmensentwicklung und zeigt auf, wie das Unternehmen - unter Berücksichtigung der Sanierungsmaßnahmen - wieder attraktiv für Eigen- und Fremdkapitalgeber wird.

Für die Erstellung eines Sanierungskonzepts muss das Unternehmen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit saniert werden können. Dieses Kriterium ist entscheidend für die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose (§ 19 Abs. 2 InsO) und die Sanierungsfähigkeit. Ein Unternehmen gilt als sanierungsfähig, wenn das Geschäftsmodell durch geeignete Sanierungsmaßnahmen wieder wettbewerbs- und refinanzierungsfähig im Markt aufgestellt werden kann. Unterschiede ergeben sich beim jeweiligen Prognosezeitraum: Für die Fortbestehensprognose beträgt der Prognosezeitraum zwölf Monate, während er für die Sanierungsfähigkeit einen längeren Zeitraum umfasst.

Hinweis: Auch bei der Sanierung kleinerer Unternehmen sind sämtliche Kernanforderungen an Sanierungskonzepte zu beachten. Das Ausmaß der Tätigkeit und die Berichterstattung können aber an die typischerweise geringere Komplexität des Unternehmens angepasst werden.

Die Neuerungen des IDW S 6 im Überblick

Die Themen ESG (Environment - Social - Corporate Governance) sowie Digitalisierung wurden aufgrund ihrer hohen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Relevanz neu in den IDW S 6 aufgenommen. In Bezug auf ihre Behandlung im IDW S 6 unterscheiden sie sich jedoch grundsätzlich nicht von anderen Aspekten der Unternehmenssanierung. Es handelt sich hierbei um Klarstellungen und nicht um neue Anforderungen an Sanierungskonzepte.

Hinweis: Sofern ESG- oder Digitalisierungsanforderungen für das Unternehmen oder dessen zukünftige Entwicklung von Bedeutung und wesentlich sind, mussten sie bereits bisher im Rahmen eines Sanierungskonzepts berücksichtigt werden. ESG-Anforderungen

Sofern ESG-Anforderungen die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells und den Sanierungserfolg beeinträchtigen, kann deren Einhaltung Voraussetzung für den dauerhaften Fortbestand des Unternehmens sein.

Relevante Fragen im Zusammenhang mit ESG-Kriterien können bspw. sein:

  • Welche regulatorischen und wirtschaftlichen Vorgaben bestehen für das Unternehmen zu den drei Dimensionen von ESG und welche Chancen- bzw. Risikotreiber bestehen in der Branche?
  • Haben ESG-Risiken einen Einfluss auf die Krisenursachen?
  • Welche Maßnahmen sind zur Bewältigung von ESG-Risiken geeignet und wie können diese quantifiziert werden?
  • Welcher Investitions- bzw. Kostenaufwand zur Anpassung des Geschäftsmodells auf absehbare ESG-Anforderungen ist in der Sanierungsplanung zu berücksichtigen?

Die Einhaltung der ESG-Kriterien bedingt neben einer Kommunikation mit den Stakeholdern, auch die Integration von ESG-Risiken in den allgemeinen Risikomanagementprozess. Eine Nichtbeachtung dieser Kriterien kann zu Straf- und/oder Reputationsrisiken oder eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten führen.

Bei vielen Unternehmen ist zudem die digitale Strategie des zu sanierenden Unternehmens entscheidend für den Sanierungserfolg. Elementare Bestandteile der digitalen Strategie sind u. a. digitale Absatzmöglichkeiten, digitale Geschäftsprozesse und Vorkehrungen zur Abwehr von Cyber-Angriffen.

Im Hinblick auf die Erfüllung von Anforderungen zur Cyber-Sicherheit können bspw. folgende Fragen von Bedeutung sein:

  • Wie ist das IT-Zugriffs- und Berechtigungssystem organisiert?
  • Wie häufig wird ein Backup erstellt und werden die Backups off- oder online verwahrt?
  • Existiert ein angemessen qualifiziertes „Response Team“ für den Fall einer Cyber-Attacke?
  • Welche (weiteren) Maßnahmen sind zur Bewältigung von Cyber-Risiken zu ergreifen und wie können diese quantifiziert werden?
  • Welcher Investitions- bzw. Kostenaufwand zur Herstellung angemessener Cyber-Sicherheit ist in der Sanierungsplanung zu berücksichtigen?

Hinweis: Die Berücksichtigung von ESG- und Cyber-Security-Anforderungen in einem Sanierungskonzept gemäß IDW S 6 ist in der Regel weniger umfangreich als eine umfassende ESG- oder IT-Due-Diligence.

Bei der Erstellung des Sanierungsplans sind steuerliche Aus- und Folgewirkungen der Maßnahmen zu berücksichtigen, da sie den Erfolg der Sanierung beeinflussen können. Zukünftige Kosten für Beratung und Überwachung der Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen sollten ebenfalls eingeplant werden.

Alle Komponenten des Sanierungskonzepts sind in ihrem Zusammenspiel zu betrachten; eine isolierte Problemanalyse ist unzureichend. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung – nicht aber bei Zahlungsunfähigkeit – sind schnell umsetzbare Sofortmaßnahmen notwendig und es besteht die Möglichkeit, das Schutzschirmverfahren nach § 270d InsO oder StaRUG-Instrumente zu nutzen.

Hinweis: Auch haben die „Fragen und Antworten zur Erstellung und Beurteilung von Sanierungskonzepten nach IDW S 6“ eine Aktualisierung erfahren. Die Ergänzungen betreffen hier im Wesentlichen die Themen ESG, Digitalisierung und Steuern. Zudem erfolgten Anpassungen an die Entwicklung in der Sanierungspraxis.