Worum geht es?
Im Streitfall vermietete der Kläger zwei Mietobjekte umsatzsteuerfrei an Mieter. Auf beiden Objekten ließ er PV-Anlagen errichten. Der Strom wurde entgeltlich gegenüber den Mietern abgerechnet, dabei wurde die konkrete Verbrauchsmenge über Unterzähler bestimmt. Die Abrechnung erfolgte auf Basis von separat zum Mietvertrag abgeschlossenen Zusatzvereinbarungen zum Mietvertrag über Stromlieferungen. Diese konnten auch separat gekündigt werden. Aus der Errichtung der PV-Anlagen machte der Kläger den Vorsteuerabzug geltend.
Das Recht auf Vorsteuerabzug steht einem Unternehmer nur aus Eingangsleistungen für sein Unternehmen zu, wenn diese nicht für steuerfreie Ausgangsumsätze verwendet werden. Streitig war daher, ob die Stromlieferung eine Nebenleistung zur steuerfreien Wohnraumvermietung oder aber eine separat zu beurteilende, und damit steuerbare und steuerpflichtige Stromlieferung darstellt.
Nach ständiger Verwaltungsauffassung handelt es sich bei der Lieferung von Strom, Wärme oder Warmwasser vom Vermieter an den Mieter in der Regel um eine Nebenleistung der steuerfreien Wohnungsvermietung (vgl. Abschn. 4.12.1 Abs. 5 UStAE). Anders hat der EuGH mit Urteil vom 16.04.2015 (Rs. C‑42/14, Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie, DStR 2015, S. 888, kurz „WAM“) entschieden: Unter bestimmten Voraussetzungen, zu denen die verbrauchsabhängige Abrechnung zählt, könne die Lieferung von Elektrizität, Wärme und Warmwasser eine eigenständige, von der Wohnungsvermietung unabhängige Lieferung darstellen. Folgt man dieser Auffassung, könnte dem Vermieter somit der Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen für die Wärme- und Warmwasserlieferungen zu gewähren sein. Zugleich wären diese Leistungen in jedem Fall, also auch bei steuerfreier Vermietung, umsatzsteuerpflichtig.
Bereits mit Urteil vom 07.12.2023 (Az. V R 15/21) hatte der BFH die Versorgung mit Wärme und Warmwasser als Nebenleistung zur Wohnraumvermietung bestätigt, da die Wohnraumvermietung zum vertragsgemäßen Gebrauch regelmäßig auch die Versorgung mit Wärme und Warmwasser mitumfasse (mehr dazu lesen Sie in unserem Umsatzsteuer Newsletter vom 27.03.2024).
Entscheidung des BFH
Dies sah der BFH im Hinblick auf Stromlieferungen anders. Im Falle der Wohnraumvermietung seien regelmäßig zwei Fallgruppen zu unterscheiden:
- Separat zu beurteilende Leistung:
- Wenn der Mieter über die Möglichkeit verfügt, die Lieferanten und/oder die Nutzungsmodalitäten der in Rede stehenden Gegenstände oder Dienstleistungen auszuwählen, können die Leistungen, die sich auf diese Gegenstände oder Dienstleistungen beziehen, grundsätzlich als von der Vermietung getrennt angesehen werden.
- Dies gelte insbesondere dann, wenn der Mieter über seinen Verbrauch von Leistungen, die in Abhängigkeit des Verbrauchs abgerechnet werden können, entscheiden kann.
- Bei Dienstleistungen wie der Reinigung der Gemeinschaftsräume eines im Miteigentum stehenden Gebäudes sind diese als von der Vermietung getrennt anzusehen, wenn sie von jedem Mieter einzeln oder von den Mietern gemeinsam organisiert werden können und wenn die an den Mieter versandten Rechnungen die Lieferung dieser Gegenstände und Dienstleistungen getrennt von der Miete ausweisen (vgl. EuGH-Urteil Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie vom 16.04.2015, Rs. C-42/14, EU:C:2015:229, Rz 39; BFH-Beschluss vom 10.01.2024, Az. XI R 11/23 (XI R 34/20), BFH/NV 2024, 1021, Rz 27).
- Nebenleistungen/einheitliche Leistung:
- Bildet die Vermietung eines Gebäudes in wirtschaftlicher Hinsicht offensichtlich mit den begleitenden Leistungen objektiv eine Gesamtheit, kann demgegenüber davon ausgegangen werden, dass Letztere mit der Vermietung eine einheitliche Leistung darstellen.
- Das kann u. a. bei der Vermietung von Immobilien für kurze Zeiträume, insbesondere für die Ferienzeit oder aus beruflichen Gründen, die mit diesen Leistungen angeboten wird, ohne dass diese davon getrennt werden können, der Fall sein (vgl. EuGH-Urteile Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie vom 16.04.2015, Rs. C-42/14, EU:C:2015:229, Rz 42; BFH-Beschluss vom 10.01.2024, Az. XI R 11/23 (XI R 34/20), BFH/NV 2024, 1021, Rz 28).
Insbesondere aus der vertraglichen Freiheit des Mieters, seinen Stromlieferanten frei wählen zu können, leitete der BFH die Eigenständigkeit der Stromlieferungen ab. Hinzu kam im Urteilssachverhalt, dass getrennte Verträge mit getrennten Kündigungsmöglichkeiten abgeschlossen worden waren.
Zudem seien weder das FG noch der BFH an die insoweit andere Auffassung er Finanzverwaltung in Abschn. A 4.12.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE gebunden, da es sich insoweit lediglich um norminterpretierende Verwaltungsanweisung handele.
Damit führe der Kläger steuerpflichtige Stromlieferungen aus, so dass ihm der begehrte Vorsteuerabzug aus dem Erwerb bzw. der Errichtung der PV-Anlage zustehe.
Was bedeutet das für die Praxis?
Im Fall der Lieferung von Warmwasser und Strom hat der BFH demgegenüber unter Verweis auf das Mietrecht unselbständige Nebenleistungen angenommen. Dies bedeutet in der Praxis, dass im Hinblick auf „Nebenkosten“ differenziert werden muss und unter Umständen eigenständige Leistungen anzunehmen sind.
Im Streitfall war dies für den Vermieter von Vorteil, denn er konnte den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb bzw. der Errichtung der PV-Anlage geltend machen. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn der Vermieter den Strom selbst vom Versorger einkauft. In diesem Fall kann er im Hinblick auf den Weiterverkauf des Stroms als Wiederverkäufer gelten, mit der Folge, dass auf die Eingangsleistungen die Steuerschuld auf den Vermieter übergeht. Diese müssten dann netto ohne gesonderten Ausweis von Umsatzsteuer abgerechnet werden.
Hinweis: Auch wenn der Ein- und Verkauf von Strom nicht Gegenstand des Verfahrens war, müssten die Grundsätze auch für den Fall des nicht selbst produzierten Stroms anzuwenden sein. Zur Risikominimierung sollte die Umstellung der Versorgungsverträge direkt auf den Mieter erwogen werden, um Risiken aus fehlerhaften Eingangsrechnungen zu vermeiden.
Administrativ gesehen dürfte es in der Regel für kleine Vermieter nachteilig sein, wenn verbrauchsabhängige Nebenkosten umsatzsteuerpflichtig sind. Es wäre erforderlich, auf umsatzsteuerlich richtige Eingangsrechnungen (ggf. mit Umsatzsteuerausweis und weitere Pflichtmerkmale) zu den erbrachten Leistungen zu achten und deutlich komplexere Steuererklärungen einzureichen. Dies gilt selbst dann, wenn sie Kleinunternehmer sind. Denn auch in diesem Fall, schulden sie die Umsatzsteuer bei einer Steuerschuldumkehr nach § 13b UStG, bspw. weil sie im Hinblick auf Stromlieferungen als Wiederverkäufer gelten.
Vorteile wären, wie im Streitfall, wegen des Vorsteuerabzugs aus Anlageninvestitionen denkbar. Im Hinblick auf den Erwerb und die Errichtung von PV-Anlagen gilt dies jedoch regelmäßig nicht mehr, da insoweit mittlerweile ein Nullsteuersatz eingeführt wurde.
In der Praxis ist auch weiterhin mit Abgrenzungsproblemen bei im Zusammenhang mit steuerfreien Vermietungsleistungen stehenden weiteren Leistungen eines Vermieters zu rechnen. Die divergierende Rechtsprechung zur Warmwasserversorgung und Stromlieferungen des BFH zeigt, dass eine differenzierte Herangehensweise geboten ist. Weiterhin dürfte relevant sein, ob getrennte Verträge abgeschlossen wurden, und wie deren Bedingungen sind.
Für die Vergangenheit bis zur Veröffentlichung des Urteils könnten Vermieter aufgrund der teilweise anderslautenden Verwaltungsauffassung in Abschnitt 4.12.1 Abs. 5 UStAE Vertrauensschutz nach § 176 AO genießen. Der BFH hatte insoweit lediglich entschieden, dass diese Passage keine Bindungswirkung für Gerichte entfalte.
Hinweis: Davon abzugrenzen ist die letzte Entscheidung des BFH zur Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen, die entgegen dem gesetzlichen Wortlaut in § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG nach Auffassung des BFH eine umsatzsteuerliche Nebenleistung zur Vermietung darstellen kann (siehe auch unser Umsatzsteuer Newsletter vom 12.09.2023).