deen

Steuerberatung

Vorsteuerabzug bei Lieferung von Mieterstrom

Die Lie­fe­rung von Strom, den ein Wohn­raum­ver­mie­ter über eine PV-An­lage er­zeugt und an seine Mie­ter ent­gelt­lich ab­gibt, stellt laut BFH eine selbständige um­satz­steu­er­pflich­tige Lie­fe­rung und be­rech­tigt da­mit zum Vor­steu­er­ab­zug.

Worum geht es?

Im Streit­fall ver­mie­tete der Kläger zwei Miet­ob­jekte um­satz­steu­er­frei an Mie­ter. Auf bei­den Ob­jek­ten ließ er PV-An­la­gen er­rich­ten. Der Strom wurde ent­gelt­lich ge­genüber den Mie­tern ab­ge­rech­net, da­bei wurde die kon­krete Ver­brauchs­menge über Un­terzähler be­stimmt. Die Ab­rech­nung er­folgte auf Ba­sis von se­pa­rat zum Miet­ver­trag ab­ge­schlos­se­nen Zu­satz­ver­ein­ba­run­gen zum Miet­ver­trag über Strom­lie­fe­run­gen. Diese konn­ten auch se­pa­rat gekündigt wer­den. Aus der Er­rich­tung der PV-An­la­gen machte der Kläger den Vor­steu­er­ab­zug gel­tend.

© unsplash

Das Recht auf Vor­steu­er­ab­zug steht einem Un­ter­neh­mer nur aus Ein­gangs­leis­tun­gen für sein Un­ter­neh­men zu, wenn diese nicht für steu­er­freie Aus­gangs­umsätze ver­wen­det wer­den. Strei­tig war da­her, ob die Strom­lie­fe­rung eine Ne­ben­leis­tung zur steu­er­freien Wohn­raum­ver­mie­tung oder aber eine se­pa­rat zu be­ur­tei­lende, und da­mit steu­er­bare und steu­er­pflich­tige Strom­lie­fe­rung dar­stellt.

Nach ständi­ger Ver­wal­tungs­auf­fas­sung han­delt es sich bei der Lie­fe­rung von Strom, Wärme oder Warm­was­ser vom Ver­mie­ter an den Mie­ter in der Re­gel um eine Ne­ben­leis­tung der steu­er­freien Woh­nungs­ver­mie­tung (vgl. Ab­schn. 4.12.1 Abs. 5 UStAE). An­ders hat der EuGH mit Ur­teil vom 16.04.2015 (Rs. C‑42/14, Wo­js­kowa Agen­cja Mies­zka­niowa w Wars­za­wie, DStR 2015, S. 888, kurz „WAM“) ent­schie­den: Un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen, zu de­nen die ver­brauchs­abhängige Ab­rech­nung zählt, könne die Lie­fe­rung von Elek­tri­zität, Wärme und Warm­was­ser eine ei­genständige, von der Woh­nungs­ver­mie­tung un­abhängige Lie­fe­rung dar­stel­len. Folgt man die­ser Auf­fas­sung, könnte dem Ver­mie­ter so­mit der Vor­steu­er­ab­zug aus den Ein­gangs­leis­tun­gen für die Wärme- und Warm­was­ser­lie­fe­run­gen zu gewähren sein. Zu­gleich wären diese Leis­tun­gen in je­dem Fall, also auch bei steu­er­freier Ver­mie­tung, um­satz­steu­er­pflich­tig.

Be­reits mit Ur­teil vom 07.12.2023 (Az. V R 15/21) hatte der BFH die Ver­sor­gung mit Wärme und Warm­was­ser als Ne­ben­leis­tung zur Wohn­raum­ver­mie­tung bestätigt, da die Wohn­raum­ver­mie­tung zum ver­trags­gemäßen Ge­brauch re­gelmäßig auch die Ver­sor­gung mit Wärme und Warm­was­ser mit­um­fasse (mehr dazu le­sen Sie in un­se­rem Um­satz­steuer News­let­ter vom 27.03.2024).

Entscheidung des BFH

Dies sah der BFH im Hin­blick auf Strom­lie­fe­run­gen an­ders. Im Falle der Wohn­raum­ver­mie­tung seien re­gelmäßig zwei Fall­grup­pen zu un­ter­schei­den:

  • Se­pa­rat zu be­ur­tei­lende Leis­tung:
    • Wenn der Mie­ter über die Möglich­keit verfügt, die Lie­fe­ran­ten und/oder die Nut­zungs­mo­da­litäten der in Rede ste­hen­den Ge­genstände oder Dienst­leis­tun­gen aus­zuwählen, können die Leis­tun­gen, die sich auf diese Ge­genstände oder Dienst­leis­tun­gen be­zie­hen, grundsätz­lich als von der Ver­mie­tung ge­trennt an­ge­se­hen wer­den.
    • Dies gelte ins­be­son­dere dann, wenn der Mie­ter über sei­nen Ver­brauch von Leis­tun­gen, die in Abhängig­keit des Ver­brauchs ab­ge­rech­net wer­den können, ent­schei­den kann.
    • Bei Dienst­leis­tun­gen wie der Rei­ni­gung der Ge­mein­schaftsräume ei­nes im Mit­ei­gen­tum ste­hen­den Gebäudes sind diese als von der Ver­mie­tung ge­trennt an­zu­se­hen, wenn sie von je­dem Mie­ter ein­zeln oder von den Mie­tern ge­mein­sam or­ga­ni­siert wer­den können und wenn die an den Mie­ter ver­sand­ten Rech­nun­gen die Lie­fe­rung die­ser Ge­genstände und Dienst­leis­tun­gen ge­trennt von der Miete aus­wei­sen (vgl. EuGH-Ur­teil Wo­js­kowa Agen­cja Mies­zka­niowa w Wars­za­wie vom 16.04.2015, Rs. C-42/14, EU:C:2015:229, Rz 39; BFH-Be­schluss vom 10.01.2024, Az. XI R 11/23 (XI R 34/20), BFH/NV 2024, 1021, Rz 27).
  • Ne­ben­leis­tun­gen/ein­heit­li­che Leis­tung:
    • Bil­det die Ver­mie­tung ei­nes Gebäudes in wirt­schaft­li­cher Hin­sicht of­fen­sicht­lich mit den be­glei­ten­den Leis­tun­gen ob­jek­tiv eine Ge­samt­heit, kann dem­ge­genüber da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass Letz­tere mit der Ver­mie­tung eine ein­heit­li­che Leis­tung dar­stel­len.
    • Das kann u. a. bei der Ver­mie­tung von Im­mo­bi­lien für kurze Zeiträume, ins­be­son­dere für die Fe­ri­en­zeit oder aus be­ruf­li­chen Gründen, die mit die­sen Leis­tun­gen an­ge­bo­ten wird, ohne dass diese da­von ge­trennt wer­den können, der Fall sein (vgl. EuGH-Ur­teile Wo­js­kowa Agen­cja Mies­zka­niowa w Wars­za­wie vom 16.04.2015, Rs. C-42/14, EU:C:2015:229, Rz 42; BFH-Be­schluss vom 10.01.2024, Az. XI R 11/23 (XI R 34/20), BFH/NV 2024, 1021, Rz 28).

Ins­be­son­dere aus der ver­trag­li­chen Frei­heit des Mie­ters, sei­nen Strom­lie­fe­ran­ten frei wählen zu können, lei­tete der BFH die Ei­genständig­keit der Strom­lie­fe­run­gen ab. Hinzu kam im Ur­teils­sach­ver­halt, dass ge­trennte Verträge mit ge­trenn­ten Kündi­gungsmöglich­kei­ten ab­ge­schlos­sen wor­den wa­ren.

Zu­dem seien we­der das FG noch der BFH an die in­so­weit an­dere Auf­fas­sung er Fi­nanz­ver­wal­tung in Ab­schn. A 4.12.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE ge­bun­den, da es sich in­so­weit le­dig­lich um nor­min­ter­pre­tie­rende Ver­wal­tungs­an­wei­sung han­dele.

Da­mit führe der Kläger steu­er­pflich­tige Strom­lie­fe­run­gen aus, so dass ihm der be­gehrte Vor­steu­er­ab­zug aus dem Er­werb bzw. der Er­rich­tung der PV-An­lage zu­stehe.

Was bedeutet das für die Praxis?

Im Fall der Lie­fe­rung von Warm­was­ser und Strom hat der BFH dem­ge­genüber un­ter Ver­weis auf das Miet­recht un­selbständige Ne­ben­leis­tun­gen an­ge­nom­men. Dies be­deu­tet in der Pra­xis, dass im Hin­blick auf „Ne­ben­kos­ten“ dif­fe­ren­ziert wer­den muss und un­ter Umständen ei­genständige Leis­tun­gen an­zu­neh­men sind.

Im Streit­fall war dies für den Ver­mie­ter von Vor­teil, denn er konnte den Vor­steu­er­ab­zug aus dem Er­werb bzw. der Er­rich­tung der PV-An­lage gel­tend ma­chen. Vor­sicht ist je­doch ge­bo­ten, wenn der Ver­mie­ter den Strom selbst vom Ver­sor­ger ein­kauft. In die­sem Fall kann er im Hin­blick auf den Wei­ter­ver­kauf des Stroms als Wie­der­verkäufer gel­ten, mit der Folge, dass auf die Ein­gangs­leis­tun­gen die Steu­er­schuld auf den Ver­mie­ter über­geht. Diese müss­ten dann netto ohne ge­son­der­ten Aus­weis von Um­satz­steuer ab­ge­rech­net wer­den.

Hin­weis: Auch wenn der Ein- und Ver­kauf von Strom nicht Ge­gen­stand des Ver­fah­rens war, müss­ten die Grundsätze auch für den Fall des nicht selbst pro­du­zier­ten Stroms an­zu­wen­den sein. Zur Ri­si­komi­ni­mie­rung sollte die Um­stel­lung der Ver­sor­gungs­verträge di­rekt auf den Mie­ter er­wo­gen wer­den, um Ri­si­ken aus feh­ler­haf­ten Ein­gangs­rech­nun­gen zu ver­mei­den.

Ad­mi­nis­tra­tiv ge­se­hen dürfte es in der Re­gel für kleine Ver­mie­ter nach­tei­lig sein, wenn ver­brauchs­abhängige Ne­ben­kos­ten um­satz­steu­er­pflich­tig sind. Es wäre er­for­der­lich, auf um­satz­steu­er­lich rich­tige Ein­gangs­rech­nun­gen (ggf. mit Um­satz­steu­er­aus­weis und wei­tere Pflicht­merk­male) zu den er­brach­ten Leis­tun­gen zu ach­ten und deut­lich kom­ple­xere Steu­er­erklärun­gen ein­zu­rei­chen. Dies gilt selbst dann, wenn sie Klein­un­ter­neh­mer sind. Denn auch in die­sem Fall, schul­den sie die Um­satz­steuer bei ei­ner Steu­er­schuld­um­kehr nach § 13b UStG, bspw. weil sie im Hin­blick auf Strom­lie­fe­run­gen als Wie­der­verkäufer gel­ten.

Vor­teile wären, wie im Streit­fall, we­gen des Vor­steu­er­ab­zugs aus An­la­gen­in­ves­ti­tio­nen denk­bar. Im Hin­blick auf den Er­werb und die Er­rich­tung von PV-An­la­gen gilt dies je­doch re­gelmäßig nicht mehr, da in­so­weit mitt­ler­weile ein Null­steu­er­satz ein­geführt wurde.

In der Pra­xis ist auch wei­ter­hin mit Ab­gren­zungs­pro­ble­men bei im Zu­sam­men­hang mit steu­er­freien Ver­mie­tungs­leis­tun­gen ste­hen­den wei­te­ren Leis­tun­gen ei­nes Ver­mie­ters zu rech­nen. Die di­ver­gie­rende Recht­spre­chung zur Warm­was­ser­ver­sor­gung und Strom­lie­fe­run­gen des BFH zeigt, dass eine dif­fe­ren­zierte Her­an­ge­hens­weise ge­bo­ten ist. Wei­ter­hin dürfte re­le­vant sein, ob ge­trennte Verträge ab­ge­schlos­sen wur­den, und wie de­ren Be­din­gun­gen sind.

Für die Ver­gan­gen­heit bis zur Veröff­ent­li­chung des Ur­teils könn­ten Ver­mie­ter auf­grund der teil­weise an­ders­lau­ten­den Ver­wal­tungs­auf­fas­sung in Ab­schnitt 4.12.1 Abs. 5 UStAE Ver­trau­ens­schutz nach § 176 AO ge­nießen. Der BFH hatte in­so­weit le­dig­lich ent­schie­den, dass diese Pas­sage keine Bin­dungs­wir­kung für Ge­richte ent­falte.

Hin­weis: Da­von ab­zu­gren­zen ist die letzte Ent­schei­dung des BFH zur Mit­ver­mie­tung von Be­triebs­vor­rich­tun­gen, die ent­ge­gen dem ge­setz­li­chen Wort­laut in § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG nach Auf­fas­sung des BFH eine um­satz­steu­er­li­che Ne­ben­leis­tung zur Ver­mie­tung dar­stel­len kann (siehe auch un­ser Um­satz­steuer News­let­ter vom 12.09.2023).

nach oben