ViDA-Maßnahmenpaket: Neue Regelungen für die Plattformwirtschaft

11.04.2025 | 3 Minuten Lesezeit

Das ViDA-Maßnahmenpaket enthält Vorgaben zur verstärkten Einbeziehung von Plattformbetreibern bei der Umsatzsteuererhebung im Bereich der kurzfristigen Vermietung von Unterkünften und der Erbringung von Personenbeförderungsleistungen.

Ziel des kürzlich von der EU verabschiedeten Maßnahmenpakets VAT in the Digital Age (ViDA) ist unter anderen, das Mehrwertsteuersystem zu vereinfachen und widerstandsfähiger gegen Betrug zu machen. Neben der Einführung digitaler Meldepflichten auf Grundlage elektronischer Rechnungen soll dieses Ziel durch eine Ausweitung der Leistungs- und Lieferkettenfiktionen für digitale Plattformen und Marktplätze erreicht werden.

Neue fingierte Leistungskette bei kurzfristiger Unterkunftsvermietung und Personenbeförderung

Die neuen Vorgaben des ViDA-Pakets verpflichten die EU-Mitgliedsstaaten, bis spätestens zum 01.01.2030 eine neue fiktive Leistungskommission für digitale Plattformen im Bereich kurzfristiger Unterkunftsvermietung und Personenbeförderung einzuführen. Eine frühere Umsetzung der Regelungen durch die Mitgliedstaaten ist bereits ab dem 01.07.2028 möglich.

Hinweis: Die Mitgliedsstaaten dürfen Ausnahmen, etwa für Kleinunternehmer, definieren.

Hintergrund der Regelung ist, dass kleinere Anbieter von Kurzzeitvermietungen von Unterkünften und Beförderungsleistungen oftmals keine Umsatzsteuer für die Vermietung oder Beförderung schulden, da sie entweder keine Unternehmer sind oder von einer Kleinunternehmerregelung Gebrauch machen. Durch die Neuregelung soll sichergestellt werden, dass klassische Anbieter dieser Leistungen aus dem Taxi- und Hotelgewerbe, die in der Regel umsatzsteuerpflichtig sind, zu vergleichbaren Konditionen wie ihre plattformbasierten anbietenden kleineren Wettbewerber am Markt auftreten können.

Einschlägig sind die geplanten Neuregelungen immer dann, wenn die Erbringung der genannten Leistungen durch Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, beispielsweise eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals oder dergleichen, unterstützt werden.

Im Bereich der Beherbergung findet diese Regelung nur Anwendung, wenn es sich um eine ununterbrochene Kurzzeitvermietung an dieselbe Person für höchstens 30 Nächte handelt.

In diesen Fällen wird eine fiktive Leistung des Vermieters bzw. Beförderers an den Betreiber der Plattform und eine fiktive Leistung vom Plattformbetreiber an den Kunden angenommen. Dabei wird die fiktive Leistung des Vermieters bzw. Beförderers an den Betreiber der Plattform als umsatzsteuerfrei behandelt. Korrespondierend besteht für den Vermieter bzw. Beförderer insoweit keine Vorsteuerabzugsberechtigung. Die Lieferung des Plattformbetreibers an den Kunden ist hingegen als umsatzsteuerpflichtig zu betrachten. Dementsprechend steht den Plattformen hieraus auch ein Vorsteuerabzugsrecht zu.

Foto: RSM Ebner Stolz

Ausnahme: Vermieter bzw. Fahrer/Beförderer, die der digitalen Plattform ihre USt-IDNr. mitteilen und zugleich erklären, dass sie die Umsatzsteuer für ihre Umsätze abführen, fallen nicht zwingend unter diese Leistungsfiktion, sondern können davon ausgenommen werden. In diesen Fällen ist die Plattform verpflichtet, Aufzeichnungen sowohl über Leistungen zwischen Unternehmen (B2B) als auch zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C) zu führen. Ferner dürfen die Mitgliedsstaaten Regelungen einführen, die die Plattform im Fall der Nicht-Anwendung der Leistungsfiktion dazu verpflichten, die der Plattform vom Vermieter bzw. Fahrer/Beförderer mitgeteilte USt-ID-Nr mit den nach nationalem Recht festgelegten geeigneten Mitteln zu validieren.

Erweiterung der Lieferkettenfiktion für Online-Plattformen mit Drittlandsbezug auf B2B-Fälle

Die bislang bereits bestehende Lieferkettenfiktion für Online-Plattformen mit Drittlandsbezug wird ab dem 01.01.2027 erweitert. Derzeit wird in Fällen, in denen ein Händler mit Sitz in einem Drittland Waren über einen EU-Online-Marktplatz an europäische B2C-Kunden veräußert, ein Reihengeschäft zwischen dem Händler aus dem Drittland, dem Plattformbetreiber und dem Kunden angenommen. Die Fiktion des Reihengeschäfts wird auch bei Einfuhr von Waren bis zu einem Wert von 150 Euro angewendet. So erfolgt eine fiktive Lieferung des Händlers an den Betreiber der Plattform und eine fiktive Lieferung vom Plattformbetreiber an den Kunden. Dabei ist die fiktive Lieferung des Händlers an die Plattform umsatzsteuerfrei. Die Lieferung des Plattformbetreibers an den Kunden ist hingegen umsatzsteuerpflichtig.

Nach den ViDA-Vorgaben gilt diese Lieferkettenfiktion ab dem 01.01.2027 auch für Lieferungen, die ein Händler mit Sitz in einem Drittland über einen EU-Online-Marktplatz an einen Unternehmer in der EU (B2B) erbringt. Werden Waren von einem Onlinehändler im Drittland direkt an Unternehmens- bzw. Privatkunden versendet (tatsächlicher Warenweg), dann wird sowohl eine steuerfreie Lieferung des Onlinehändlers aus dem Drittland an den EU-Online-Markplatz als auch eine steuerbare und ggf. steuerpflichtige Lieferung des EU-Online-Markplatzes an den Unternehmens- bzw. Privatkunden fingiert.

Foto: RSM Ebner Stolz

Hinweis: Anders als bei der Lieferkettenfiktion für B2C-Lieferungen, bei der für Waren, welche sich bei Versendungsbeginn noch nicht in der EU befinden, ein Schwellenwert von 150 Euro gilt, kommt bei der B2B-Lieferkettenfiktion kein Schwellenwert zur Anwendung.

Handlungsempfehlungen

Prozesse und Systeme müssen an erweiterte Prüf- und Dokumentationspflichten (z.B. USt-IdNr.-Validierung und Gelangensnachweise) sowie Meldeverpflichtungen gegenüber den Finanzbehörden angepasst werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, eine etwaige Steuerhaftung zu vermeiden.

Um die gesetzlichen Anforderungen richtig umzusetzen, ist es zudem erforderlich, die gesetzgeberische Entwicklung in den einzelnen Mitgliedstaaten genau zu beobachten, um zu klären, ob die erweiterten Liefer- und Leistungskettenfiktionen dort auch für Kleinunternehmer gelten werden.