ViDA-Maßnahmenpaket: Einzige Mehrwertsteuer-Registrierung

22.04.2025 | 4 Minuten Lesezeit

Im Rahmen der ViDA-Reform wird die umsatzsteuerliche Compliance im grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr dank der sogenannten einzigen Mehrwertsteuer-Registrierung vereinfacht. Künftig wird in vielen Fällen eine gesonderte Registrierung in anderen EU-Mitgliedstaaten entfallen.

Durch das kürzlich von der EU verabschiedete Maßnahmenpaket VAT in the Digital Age (ViDA) soll das EU-Mehrwertsteuersystem modernisiert und resilienter gegen Betrug gemacht werden. Insbesondere die einzige Mehrwertsteuer-Registrierung soll zu einer Vereinfachung der Erfüllung umsatzsteuerlicher Pflichten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten beitragen. Weitere Säulen des Maßnahmenpakets sind die Einführung digitaler Meldepflichten auf der Grundlage elektronischer Rechnungen und die Ausweitung der Leistungs- und Lieferkettenfiktionen für digitale Plattformen und Marktplätze.

Für international tätige Unternehmen ist die umsatzsteuerliche Erfassung im Ausland mit Aufwand und Risiken verbunden. Unter dem Begriff „einzige Mehrwertsteuer-Registrierung“ sollen das One-Stop-Shop-Verfahren (OSS) und das Import-One-Stop-Shop-Verfahren (IOSS) sowie die Regelungen zum Steuerschuldübergang für B2B-Umsätze (Reverse-Charge-Verfahren) schrittweise zum 01.01. 2027 und zum 01.07.2028 erweitert werden. Dadurch soll in vielen weiteren Fällen eine umsatzsteuerliche Registrierung im EU-Ausland entbehrlich werden.

Änderungen ab 01.01.2027

Zum 01.01.2027 wird die Anwendung des OSS-Verfahrens auf die Lieferung von Gas, Elektrizität sowie Wärme und Kälte ausgeweitet, wenn der leistende Unternehmer nicht in dem Mitgliedsstaat ansässig ist, in dem der Vorgang der Umsatzsteuer unterliegt.

Daneben wird der Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs in Bezug auf Lieferungen im Rahmen der OSS- bzw. IOSS-Vereinfachungsregelungen EU-weit vereinheitlicht. Der Steueranspruch entsteht somit spätestens bei der Ausstellung der Rechnung bzw. bei der Vereinnahmung des Entgelts.

Änderungen ab 01.07.2028

Ab dem 01.07.2028 werden insbesondere folgende weitere Änderungen gelten:

Für das unternehmensinterne Verbringen von Gegenständen in einen anderen Mitgliedstaat kommt das OSS-Verfahren zur Anwendung. Der entsprechende innergemeinschaftliche Erwerb ist steuerbefreit. Einer umsatzsteuerlichen Registrierung in dem Land, in das Verbringungen zur eigenen Verfügung stattfinden, bedarf es dann nicht mehr.

Hinweis: Marktplatzbetreiber werden Versandhändler über solche grenzüberschreitenden Warenbewegungen in der EU spätestens bei der Beförderung oder Versendung der Gegenstände informieren müssen, damit Versandhändler entsprechende OSS-Meldungen für diese Verbringungen abgeben können.

Unternehmen können lokale Lieferungen im EU-Ausland, bei denen sie für die Abführung der Steuer verantwortlich sind, im OSS-Verfahren deklarieren. Dies betrifft z. B. Lieferungen aus einem lokalen Lager, die keine Fernverkäufe darstellen. Zudem können dann auch Lieferungen von Gegenständen mit Installation oder Montage sowie Lieferungen an Bord von Schiffen, Flugzeugen oder Eisenbahnen durch nicht ansässige Unternehmer im OSS-Verfahren gemeldet werden.

Die bisherige Konsignationslagerregelung wird durch eine OSS-Vereinfachungsregelung für das Verbringen eigener Waren abgelöst. Unter die Altregelung fallen dann nur noch Warenübertragungen in ein Konsignationslager, die bis zum 30.06.2028 ausgeführt und bis zum 30.06.2029 aus diesem wieder entnommen werden.

Bisher stand es den EU-Mitgliedstaaten offen, zu entscheiden, ob sie ein Reverse-Charge-Verfahren für bestimmte Transaktionen anwenden und wie die Voraussetzungen dafür ausgestaltet werden. Die neuen Regelungen sehen für EU-Mitgliedstaaten zukünftig eine verpflichtende Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens vor, wenn ein Unternehmer, der in dem Mitgliedstaat, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird, weder ansässig noch registriert ist und dieser Lieferungen von Gegenständen bzw. Dienstleistungen an eine Person ausführt, die in diesem Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist. Für diese Fälle muss zukünftig spätestens innerhalb von 15 Tagen nach dem Monat, in dem der Steuertatbestand eingetreten ist, eine Rechnung ausgestellt werden und eine Angabe in der Zusammenfassenden Meldung (ZM) erfolgen.

Hinweis: Die ZM wird durch die Einführung des digitalen Echtzeit-Meldesystems ab 01.07.2030 ersetzt werden (mehr dazu hier).

Den EU-Mitgliedstaaten wird es hingegen weiterhin freigestellt sein, im Falle eines leistenden Unternehmers, der zwar ggfs. für mehrwertsteuerliche Zwecke im Mitgliedstaat der Leistung registriert, aber dort nicht ansässig ist, zu entscheiden, ob ein Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung kommen soll, wenn zugleich der Kunde im Mitgliedstaat der Leistungserbringung nicht registriert ist. Bisher erforderliche lokale Registrierungen werden auch für solche Fälle zukünftig weitgehend vermieden.

Hinweis: Lieferungen und Leistungen, die der Differenzbesteuerung unterliegen, werden hingegen explizit von der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens ausgenommen.

Fazit

Die kommenden Änderungen im Zuge der einzigen Mehrwertsteuer-Registrierung sind insgesamt sehr zu begrüßen. Die Umsatzsteuer-Befolgungslasten und -kosten von Unternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten zu besteuernde Umsätze tätigen, werden sich deutlich reduzieren und als Hindernis auf dem Binnenmarkt kleiner ausfallen.

Die Anzahl an grenzüberschreitenden Transaktionen in der EU, für die Registrierungspflichten entstehen, wird deutlich verringert. Jedoch wird es auch nach Inkrafttreten der Änderungen noch innergemeinschaftliche Umsätze geben, für die eine lokale umsatzsteuerliche Registrierung erforderlich sein wird. Dies gilt etwa für den innergemeinschaftlichen Erwerb im EU-Ausland durch Verbringen ohne Nutzung des OSS-Verfahrens oder für bestimmte Ausgangsumsätze im EU-Ausland wie z. B. innergemeinschaftliche Lieferungen oder Ausfuhrlieferungen.

Handlungsempfehlungen

Unternehmen in der EU, die grenzüberschreitende Umsätze tätigen, sollten ihre Geschäftsbeziehungen im Hinblick auf die neuen Vorschriften überprüfen.

Ein besonderes Augenmerk sollte hierbei auf verbleibende länderspezifische Regelungen zum Übergang der Steuerschuldnerschaft gelegt werden, da diese staatenbezogen gesondert zu beachten sind.

Insgesamt werden die Änderungen auch einigen Umstellungsbedarf in der Steuerfindung und in den Buchhaltungs- und ERP-Systemen mit sich bringen. Dies sollte bereits jetzt in die mittelfristige Projektplanung bis zum 31.12.2026 bzw. zum 30.06.2028 einbezogen werden.

Trotz der Vereinfachungen muss bedacht werden, dass die über das OSS-Verfahren zu meldenden Steuern im Ausland anfallen. Dabei sind alle relevanten steuerlichen und verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Staates, in dem die Steuer anfällt, zu beachten. Die Bestimmungen des Staates, in dem die OSS-Registrierung erfolgt ist, sind hingegen nicht maßgeblich. Dies betrifft unter anderem die Vorschriften zur Korrektur sowie die Regelungen für die jeweiligen Rechtsbehelfsverfahren.

Daher kann es auch zukünftig noch von Vorteil sein, sich umsatzsteuerlich in anderen EU-Ländern registrieren zu lassen oder bestehende umsatzsteuerliche Registrierungen beizubehalten, anstatt auf das Wahlrecht zur Nutzung der OSS- oder IOSS-Regelungen zurückzugreifen. Dies gilt insbesondere dann, wenn in einem anderen Mitgliedstaat lokale Vorsteuern oder Einfuhrumsatzsteuern anfallen und das Vergütungsverfahren nicht in Anspruch genommen werden soll.